
Mehrsprachigkeit in der Forschung: Chancen und Herausforderungen für die Wissenschaftskommunikation
Die Kommunikation in mehreren Sprachen kann die Forschung integrativer und wirkungsvoller machen, indem sie Gerechtigkeit, Zugänglichkeit und globale Verbreitung von Wissen verbessert. In einer Session auf dem Barcamp Open Science diskutierten wir Chancen und Herausforderungen der mehrsprachigen Forschungspraxis. Eine Zusammenfassung der Session.
von Johanna Havemann
Obwohl Forschungsergebnisse überwiegend in englischer Sprache veröffentlicht werden, ist die mehrsprachige Kommunikation in der Forschung sowohl für die Inklusion als auch für die Verbreitung lokal relevanter Ergebnisse unerlässlich. In einer Session auf dem diesjährigen Barcamp Open Science in Potsdam ermittelten wir die Chancen und Herausforderungen, die damit einhergehen wenn, Forschung mehrsprachig durchgeführt und kommuniziert wird. Wir waren einer Meinung, dass bewusste Handhabung von Mehrsprachigkeit innerhalb der Wissenschaftskommunikation Gerechtigkeit, Zugänglichkeit und globale Reichweite des geteilten Wissens deutlich verbessern kann. Wenn Multilingualität in Veröffentlichungen gefördert und dafür auch Ressourcen bereitgestellt werden, kann die wissenschaftliche Gemeinschaft eine integrativere und wirkungsvollere Forschungsumgebung schaffen.
Zentrale Herausforderungen
- Sprachbarrieren und Barrierefreiheit
- Auswirkungen der Veröffentlichung in ausschließlich englischer Sprache
- Koloniales Erbe im wissenschaftlichen Verlagswesen
Die Veröffentlichung von Forschungsarbeiten ausschließlich in englischer Sprache kann die Zugänglichkeit für Nicht-Englischsprachige einschränken, insbesondere in Regionen, in denen die lokale Sprache für die Vermittlung lokal relevanter Lösungen wesentlich ist. So erreichen Forschungsarbeiten, die sich mit ökologischen Problemen in Indien befassen, möglicherweise kein größeres Publikum, wenn sie in einer kleinen Regionalsprache veröffentlicht werden, während rein englischsprachige Veröffentlichungen den lokalen Gemeinschaften möglicherweise nicht zugutekommen. Automatische Übersetzungsprogramme werden der Komplexität wissenschaftlicher Sprache oft nicht gerecht und kreieren eine Sprachblase, die das Verständnis über Sprachgrenzen hinweg erschwert.
Viele Forschende sehen sich gezwungen, in englischer Sprache zu veröffentlichen, da sie in kommerziellen und renommierten Zeitschriften dominiert. Dies beeinträchtigt die Fähigkeit von Forschenden, sich wirksam mit lokalen Themen zu befassen, und blockiert die Erreichbarkeit nicht englischsprachiger Zielgruppen. Die Übersetzung wissenschaftlicher Inhalte in andere Sprachen könnte zwar die Reichweite erhöhen, aber vollständige Übersetzungen können aufgrund von Nuancen und kulturellen Interpretationen, die sich oft nicht direkt von einer Sprache in eine andere übertragen lassen, komplex sein.
Afrikanische Forschende sehen sich oft mit der Herausforderung konfrontiert, in Kolonialsprachen (wie Englisch und Französisch) zu publizieren und nicht in ihrer Muttersprache oder in lokalen oder regionalen indigenen Sprachen, wodurch die Ungleichheit in der wissenschaftlichen Kommunikation fortbesteht. Dies schränkt die Repräsentanz afrikanischer Sprachen in der Forschung ein und trägt dazu bei, dass das Wissen in diesen Sprachen nicht ausreichend genutzt wird.
Möglichkeiten für mehrsprachige Forschung
- Bessere Auffindbarkeit und Reichweite
- Nutzung von mehrsprachigen Ressourcen
- Mehrsprachige Forschung als Weg zu Gerechtigkeit und Integrat
Die Bereitstellung von zentralen Metadaten (Titel, Zusammenfassungen und Schlüsselwörter) in verschiedenen Sprachen kann die Auffindbarkeit von Forschungsergebnissen erheblich verbessern. Dies ist für Projekte von entscheidender Bedeutung, die sich an bestimmte Sprachgemeinschaften richten, und ermöglicht eine breitere Beteiligung und Zusammenarbeit.
Forschungsrepositorien wie AfricArXiv und Open Journal Systems bieten Funktionalitäten für Mehrsprachigkeit, die es Wissenschaftler:innen ermöglichen, ihre Arbeiten in verschiedenen Sprachen zu veröffentlichen und zu teilen.
Die Helsinki Multilingualism Initiative und die UNESCO Open Science Empfehlungen fördern die Mehrsprachigkeit in der Forschung als Teil des umfassenderen Ziels einer offen praktizierten Wissenschaft. Diese Initiativen zielen darauf ab, die Gleichberechtigung und Autonomie in der Forschung zu erhöhen, indem Wissenschaftler:innen ermutigt werden, in anderen Sprachen als Englisch zu kommunizieren.
Digitale Repositoriensysteme, insbesondere das kürzlich veröffentlichte DSpace 8.0, haben die Sprachabdeckung verbessert. Mehrsprachige Kuratierungsoptionen sind von zentraler Bedeutung für Forschende, die Arbeiten in anderen Sprachen als Englisch veröffentlichen oder mehrsprachige Inhalte teilen möchten.
Mehrsprachigkeit in der Wissenschaft zu unterstützen, sorgt dafür, dass die Integration gefördert und Wissen über Sprachgrenzen hinweg geteilt wird. Dies ist besonders wichtig in Bereichen wie der Ökologie oder bei lokalen Problemlösungen, wo die Veröffentlichung in einer lokalen Sprache die Wirkung der Forschung in diesen Gemeinschaften verstärkt. Wenn Forschungsteams dazu ermutigt werden, die Verwendung ihrer Muttersprache im akademischen Umfeld auszutesten, kann dies Forschende weltweit stärken und dazu beitragen, die Dominanz des Englischen in der Wissenschaft zu relativieren.
Empfehlungen
Die effektive Nutzung von mehrsprachigen Ansätzen, Arbeitsabläufen und Verbreitungskanälen führt dazu, dass Forschungsergebnisse einen globalen Nutzen entfalten und Relevanz für verschiedene Gesellschaften gewährleisten können.
Dieser Text ist eine Übersetzung aus dem Englischen.
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Über die Autorin:
Dr. Johanna Havemann ist Beraterin und Trainerin mit dem Schwerpunkt Open-Science-Kommunikation und digitales Forschungsprojektmanagement. Als Gründerin von Access 2 Perspectives und AfricArXiv ermöglicht sie Forschenden, ihr Wissen für die Gesellschaft nutzbar zu machen. Sie ist auf LinkedIn und ORCID zu finden.
Porträt: Johanna Havemann©
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