Forschungsdatengesetz: Ein inkrementeller Schritt in die richtige Richtung?

von Christian Busse (Deutschen Krebsforschungszentrum – DKFZ)

Das Forschungsdatengesetz (FDG) stand im Mittelpunkt einer Session auf dem diesjährigen Barcamp Open Science in Potsdam. Dabei handelt es sich um ein in Deutschland geplantes Bundesgesetz, das den Datenzugang für Forschende aus öffentlichen wie privaten Institutionen verbessern und vereinfachen soll. Im März 2024 veröffentlichte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ein Papier, das die geplanten Eckpunkte des Forschungsdatengesetzes skizziert . Die Veröffentlichung des vollständigen Gesetzentwurfs war für November 2024 erwartet worden, aber dieser Zeitplan hat sich durch das Auseinanderbrechen der Regierungskoalition verzögert. Es wird jedoch vermutet, dass der Gesetzgebungsprozess nach der anstehenden Bundestagswahl wieder aufgenommen wird.

Schlüsselaspekte des FDG

Wir begannen die Sitzung mit einer kurzen Zusammenfassung des zu erwartenden Inhalts des FDG und des aktuellen Standes des Gesetzgebungsverfahrens. Die vier Hauptaspekte des FDG sind:

  1. Besserer Zugang zu Daten des öffentlichen Sektors: Daten öffentlicher Einrichtungen besser zugänglich und wiederverwendbar machen. Dies gilt nur für Einrichtungen des Bundes und nicht für Einrichtungen der Bundesländer.
  2. Ein deutsches Mikrodatenzentrum: Aufbau einer zentralen Verwahrstelle für die sozioökonomischen Mikrodaten der rund 40 Forschungsdatenzentren (FDZ), die auf Antrag von Forschenden Datensatzverknüpfungen zwischen den Datensätzen vornehmen kann. Anträge auf Datenverknüpfung können für gemeinwohlorientierte Forschung von akkreditierten Einrichtungen, zu denen auch private Stellen gehören, gestellt werden. Für diese Dienstleistung wird den Forschenden eine Gebühr in Rechnung gestellt, deren Höhe derzeit jedoch noch nicht bekannt ist. Es wird davon ausgegangen, dass es sich um eine organisatorisch eigenständige Einheit innerhalb des Statistischen Bundesamtes (Destatis) handelt.
  3. Harmonisierte Datenschutzvorschriften: Diese wurden zwar noch nicht spezifiziert, werden aber wahrscheinlich zusätzliche Klarheit über die rechtmäßige Verwendung personenbezogener Daten für Forschungszwecke und die Organisation der zuständigen Behörden in Fällen der Forschungszusammenarbeit von Akteur:innen in verschiedenen Staaten schaffen.
  4. Verbesserte Auffindbarkeit von Datensätzen: Während der ursprüngliche BMBF-Entwurf noch eine Verpflichtung der Forschungseinrichtungen zum Führen eigener Metadatenkataloge vorsah, wurde dies in den letzten Monaten vom BMBF zurückgenommen. Derzeit wird davon ausgegangen, dass nur eine allgemeine Verpflichtung zur Bereitstellung von Metadaten in das FDG aufgenommen wird. Wichtig ist, dass diese Verpflichtung nicht für Einrichtungen der Bundesländer (vor allem Universitäten) gelten wird, da sie standardmäßig nicht in den Geltungsbereich der Bundesgesetzgebung fallen. Das FDG wird keine Details zu Metadatenstandards enthalten, da dies für ein Gesetz zu spezifisch ist. Stattdessen soll das BMBF ermächtigt werden, durch Rechtsverordnungen diese Details zu definieren. Das BMBF hat bereits Kontakt mit Interessengruppen wie der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) aufgenommen, um zu prüfen, ob und wie Standards aus den wissenschaftlichen Communities in diesem Prozess abgebildet werden können.

Ein inkrementeller Schritt in die richtige Richtung

Anschließend diskutierten wir darüber, ob die geplanten Maßnahmen tatsächlich dazu beitragen werden, die genannten Ziele zu erreichen, und wenn nicht, was stattdessen getan – oder eben nicht getan – werden sollte. Generell sah die Mehrheit der Teilnehmenden das FDG als einen inkrementellen Schritt in die richtige Richtung an, wenn auch als einen eher kleinen. Wichtige Kritikpunkte, die im Rahmen des parlamentarischen Prozesses aufgegriffen werden könnten, sind:

  • Die Teilnehmenden sahen ein Ungleichgewicht zwischen den neuen Verpflichtungen, die für alle Forschenden gelten, wie zum Beispiel die Verpflichtung, alle Metadaten an Kataloge zu übermitteln, und den neuen Möglichkeiten, von denen vor allem Forschende in sozioökonomischen Bereichen profitieren.
  • Mehrere Teilnehmende äußerten die Befürchtung, dass die Staffelung der Gebühren für die Dienste des Mikrodatenzentrums für kleinere und weniger gut finanzierte Forschungsgruppen unerschwinglich sein könnte.
  • Die Aufteilung zwischen Bundes- und Landesinstitutionen wurde als eher problematisch angesehen, da sie zu einer Zersplitterung des Forschungsdatenmanagements führen würde, insbesondere bei Verbundprojekten.
  • Das Fehlen einer klareren Verpflichtung zu offenen Forschungsdaten, da die Metadatenkataloge nur die Auffindbarkeit von Datensätzen, nicht aber die Leichtigkeit ihrer Wiederverwendung erhöhen. Es besteht zwar weitgehend Einigkeit darüber, dass es legitime Gründe gibt, warum einige Forschungsdaten nicht offen zugänglich gemacht werden können, doch wurde eine allgemeine Verpflichtung zu offenen Daten mit der Möglichkeit eines Opt-out als der gewünschte nächste Schritt angesehen.
  • Die Definition von Forschungsdaten – obwohl sie offenbar nahe an der Definition in Art. 2 (9) der EU-Open-Data-Richtlinie (2019/1024) liegt – wurde als zu sehr auf Daten aus MINT-Bereichen fokussiert kritisiert (siehe auch Notizen aus der Session “Open Science beyond STEM – in search for a Middle Ground“).

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Über den Autor:
Christian Busse ist Teamleiter am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Er hat einen medizinischen Hintergrund und promovierte in experimenteller Immunologie. Seine aktuelle Arbeit konzentriert sich auf umfassende Lösungen für das Management immunologischer Daten. Christian ist Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe Standards der AIRR Community und Mitglied des NFDI4Immuno-Konsortiums. Sie finden ihn auf Mastodon und ORCID.

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