Open-Science-Studie: Wirtschaftswissenschaften auf Kurs zu mehr Offenheit
Eine aktuelle Studie der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft zeigt, dass Open-Science-Praktiken unter Wirtschaftsforschenden in Deutschland eine wachsende Akzeptanz erfahren. Jedoch existieren weiterhin deutliche Hindernisse wie hohe Publikationsgebühren, rechtliche Bedenken und fehlende Anreize für offene und transparente Forschung. Die Studienergebnisse betonen die Notwendigkeit weiterer Unterstützung für Wirtschaftsforschende, um die Offenheit und Reproduzierbarkeit wissenschaftlicher Ergebnisse zu fördern.
von Guido Scherp und Doreen Siegfried – ZBW
Die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft hat die Ergebnisse einer aktuellen Studie zu Open-Science-Praktiken in den Wirtschaftswissenschaften veröffentlicht. Die empirische Untersuchung basiert auf einer Online-Befragung von 314 Forschenden an deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Sie liefert wichtige Erkenntnisse zu Einstellungen, Anwendungen, Barrieren und Anreizen im Zusammenhang mit Open Science in der Wirtschaftsforschung.
Die Studie zeigt, dass Open Science zunehmend in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung an Bedeutung gewinnt, jedoch signifikante Unterschiede zwischen verschiedenen Institutionstypen bestehen. Im Folgenden werden einige Kernergebnisse vorgestellt.
Bereits 2019 hatte sich eine ZBW-Studie mit der Bedeutung von Open Science in den Wirtschaftswissenschaften befasst. Allerdings mit unterschiedlichen Schwerpunkten und anderer Methodik. Daher sind die Ergebnisse nicht direkt miteinander vergleichbar, aber wo möglich, wird darauf eingegangen.
Freie Zugänglichkeit rückt stärker ins Bewusstsein
63,63 Prozent der Befragten suchen gezielt nach frei zugänglich verfügbaren Versionen von Publikationen, vor allem über Google Scholar. 2019 waren es lediglich etwas mehr als ein Drittel. Zudem achten 39 Prozent bei der Literaturrecherche gezielt darauf, ob Daten und Code zur Verfügung stehen.
Auch bei der Arbeit mit Forschungsdaten legen 38,3 Prozent Wert darauf, dass die selbst genutzten Daten frei zugänglich sind. Ein wesentlicher Grund, auf offene Daten zu setzen, ist die Reproduzierbarkeit der eigenen Forschungsergebnisse (67,5 Prozent).
Im Vergleich zur Studie 2019 lässt sich ein Trend ablesen, dass frei zugängliche Forschungsergebnisse zunehmend ins Bewusstsein der Forschenden rücken und wertgeschätzt werden.
Zugänglichkeit eigener Forschungsergebnisse als Hauptmotivation
Vor allem wissenschaftliche Mitarbeiter:innen an Universitäten publizieren bei referierten Zeitschriften direkt im Open Access (Gold OA). Der Anteil im Verhältnis zu den Gesamtpublikationen liegt in dieser Gruppe bei 39,2 Prozent. Dahinter liegen Professor:innen an Universitäten (27,7 Prozent) und Fachhochschulen (23,3 Prozent). In der VWL (37,2 Prozent) ist der Anteil an Open-Access-Publikationen doppelt so hoch wie in der BWL (19,8 Prozent). Insgesamt dominiert somit noch Closed Access in den Wirtschaftswissenschaften.
Wenn im Open Access publiziert wird, liegt dies vor allem an dem Wunsch, Forschungsergebnisse breiter zugänglich zu machen und an der Überzeugung, dass öffentlich finanzierte Forschung zugänglich sein sollte (bei FH-Professor:innen signifikant geringer ausgeprägt). Dass eine gewählte Zeitschrift bereits Open Access ist, hat ungefähr die Hälfte der Befragten als Grund angegeben.
Mit rund 70 Prozent (FH-Professor:innen 60,7 Prozent) stellen fehlende Mittel für APC-Gebühren den größten Hinderungsgrund für eine Publikation im Open Access dar. An der Qualität von Open-Access-Journals zweifelt mit rund 20 Prozent (FH-Professor:innen 10,7 Prozent) nur noch eine Minderheit.
Das Prinzip einer Zweitveröffentlichung (Grün OA) kennt nur rund die Hälfte der befragten Wirtschaftsforschenden; wirtschaftswissenschaftliche Mitarbeiter:innen sogar nur zu 37,6 Prozent. Von ihnen hat bisher nur rund ein Drittel ihr Zweitveröffentlichungsrecht überhaupt genutzt; wissenschaftliche Mitarbeiter:innen sogar nur zu 15,3 Prozent.
Glaubwürdigkeit entscheidender Anreiz für die Bereitstellung von Daten und Code
Von den Befragten an Universitäten arbeiten 91,6% mit Forschungsdaten (2019 lag der Wert bei 78%), an Fachhochschulen sind es 66,7 Prozent der Befragten. Von ihnen veröffentlichen bereits 62,5 Prozent Daten und Codes (soweit rechtlich möglich).
Die Gründe für eine Veröffentlichung sind ähnlich wie bei Open Access gelagert. Der Hauptgrund ist für 76,2 Prozent, dass die Bereitstellung von Daten und Code die Glaubwürdigkeit der eigenen Forschung erhöht. Für 61,3 Prozent ist es wichtig, dass die Forschungsergebnisse breiter zugänglich sind. Und 59,1 Prozent gaben an, dass die gewählte Zeitschrift dies verlangt. Zeitschriften wenden zunehmend entsprechende Policies zur Verfügbarkeit von Daten und Code an.
Als Hauptgrund gegen das Veröffentlichen von Daten und Code nannten 66,1 Prozent einen zu hohen Aufwand. Dahinter lagen für 40,4 Prozent der befragten Wirtschaftsforschenden Befürchtungen eines Wettbewerbsnachteils.
Fehlende Anreize relevanter als bestehende Barrieren
Wesentliche Anreize für offene Praktiken, vor allem an Universitäten, sind steigende Zitationen (Mittelwert 4,1 auf einer Skala 1-5), Erschließung weiterer Finanzierungsquellen (M=4,0) sowie die generelle Anerkennung für die wissenschaftliche Karriere (M=4,0). Insgesamt weisen alle genannten Anreize einen höheren Mittelwert als 3,4 auf. Die Bedeutung dieser Anreize ist gegenüber 2019 konstant geblieben.
Als größte Hinderungsgründe werden rechtliche Hürden (M=3,5) und fehlende finanzielle Mittel (M=3,5) gesehen. 2019 haben lediglich weniger als ein Drittel der Befragten diese beiden Gründe als Barriere angesehen. Eventuell sind bei zunehmender Open-Science-Praxis vermehrt rechtliche Probleme aufgetreten oder es hat eine stärkere Sensibilisierung stattgefunden. Vielleicht machen sich zunehmende Publikationskosten für Open Access bemerkbar oder andere finanzielle Rahmenbedingungen haben sich geändert. Die Akzeptanz von Open Science wird dadurch deutlich, dass der geringste Hinderungsgrund ist, dass generell keine Notwendigkeit für Open Science gesehen wird (M=1,7).
Insgesamt zeigt die Studie, dass im Vergleich bestehende Barrieren eine geringere Rolle zu spielen scheinen als fehlende Anreize.
Unterstützung für Forschende in den Wirtschaftswissenschaften intensivieren
Insgesamt zeichnet sich eine positive Entwicklung in den Wirtschaftswissenschaften hin zu mehr Transparenz und Offenheit ab. Dabei trägt eine gewisse intrinsische Motivation zu einer wachsenden Akzeptanz offener Praktiken bei.
Die Ergebnisse unterstreichen aber auch die Notwendigkeit, die Unterstützung für Forschende in den Wirtschaftswissenschaften zu intensivieren, um die Offenheit und Reproduzierbarkeit wissenschaftlicher Forschung weiter zu fördern.
Die ZBW wird die gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um ihre Angebote und Dienstleistungen in diesem Bereich weiterzuentwickeln und Forschende gezielt zu unterstützen. Im Fokus der ZBW-Aktivitäten stehen die Vernetzung von Forschenden und Institutionen aus den Wirtschaftswissenschaften, die Weiterentwicklung der bereits initiierten und aktiven Open-Science-Community sowie die Unterstützung von Kooperationen.
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Dr. Guido Scherp ist Leiter der Abteilung “Open-Science-Transfer” an der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft. Er ist auch auf LinkedIn und Mastodon zu finden.
Porträt: ZBW©, Fotograf: Sven Wied
Dr. Doreen Siegfried ist die Leitung der Abteilung Marketing und Public Relations in der ZBW – Leibniz Informationszentrum Wirtschaft. Sie ist auch auf LinkedIn.
Porträt: ZBW©
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