Barcamp Open Science 2024: Alles Gute zum 10. Geburtstag!
Dieses Jahr feierte das Barcamp Open Science (#oscibar) sein 10-jähriges Jubiläum. Diskutierte Themen waren unter anderem Open-Science-Erfolgsgeschichten, Open Science an Fachschulen und die Frage, wo und wer die Nachnutzenden sind. Mit der Unterstützung mehrerer Session-Moderator:innen fassen wir die Diskussionen aus einigen Barcamp-Sessions zusammen.
von Susann Auer, Tamara Heck, Constance Holman, Ben Kaden, Friederike Kramer, Mika Pflüger, Guido Scherp, Heidi Seibold, Claudia Voigtländer, Anja Zeltner
Alles Gute zum Geburtstag, Barcamp Open Science! Ja, dieses Jahr gab es einiges zu feiern, sogar mit ein bisschen Kuchen, denn das Erreichen der 10-Jahres-Marke macht das Organisationsteam ziemlich stolz. In diesem Jahr fand das Barcamp an der Fachhochschule Potsdam statt, dank der Initiative von Ellen Euler, Professorin für Bibliothekswissenschaft, und der anschließenden guten Zusammenarbeit mit Open Access Brandenburg. Es war eine besondere Ehre, dass die Präsidentin der Fachhochschule Potsdam, Eva Schmitt-Rodermund, das Barcamp Open Science persönlich eröffnete. Sie hätte die Idee hinter diesem Barcamp nicht besser auf den Punkt bringen können:
“The goals of this Barcamp are simple yet profound: to share knowledge and to develop ideas together. For the duration of this event, the University of Applied Sciences Potsdam becomes a laboratory for ideas in the field of Open Science — a place where new concepts can be explored and where the spirit of openness can flourish.”
(Deutsch: “Die Ziele dieses Barcamps sind einfach, aber tiefgreifend: Wissen zu teilen und Ideen gemeinsam zu entwickeln. Für die Dauer dieser Veranstaltung wird die Fachhochschule Potsdam zu einem Labor für Ideen im Bereich der offenen Wissenschaft — ein Ort, an dem neue Konzepte erforscht werden können und an dem der Geist der Offenheit gedeihen kann.”)
Wie Open Science verstanden und diskutiert wird und welche Themen dabei im Vordergrund stehen, hat sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt und verändert. Open Science ist vielschichtiger geworden und eng mit verschiedenen Aspekten des Wissenschaftssystems verwoben, wie zum Beispiel der partizipative Wissenschaft, Wissensgerechtigkeit, Arbeitsverträge und die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen wie der Klimakrise. Daran knüpfte der diesjährige “Ignition Talk” von Heidi Seibold zum Thema “Between Rigor and Equity – the ‘Open’ in Open Science” (Aufzeichnung/Folien) wunderbar an.
Heidi begann mit der Feststellung, dass viele Forschende Wissenschaft mit dem Ziel betreiben, neues Wissen zu schaffen. Je tiefer sie jedoch in die Forschung einsteigen, desto deutlicher treten auch Schwächen und Probleme hervor, wie zum Beispiel eine unzureichende Reproduzierbarkeit oder schlechte Qualität bei einigen Studien. Dies war ihr persönlicher Antrieb, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie Forschung besser gemacht werden kann: Open Science ist die Lösung.
Zum einen fördert Open Science die Forschungsqualität. Die Forschung ist heute hochkomplex und steht vor Herausforderungen, wie der Dokumentation von Prozessen und dem Fehlermanagement. Ihrer Ansicht nach bietet Open Science Möglichkeiten, den Zugang zu Daten, Code und Forschungsergebnissen für alle zu erleichtern, die oft durch Kosten oder Zugangsbarrieren eingeschränkt sind.
Ein weiterer Aspekt ist die Verbesserung von Gerechtigkeitsaspekten in der Forschung, sowohl was den Zugang zu Forschungsergebnissen als auch die Anerkennung von Forschungs-Output, wie etwa Daten und Software. Diese sollten nicht als wissenschaftliche Nebenprodukte betrachtet, sondern als ebenso wertvolle wissenschaftliche Beiträge anerkannt werden.
Heidi sprach auch einige Hindernisse an, die Open Science erschweren können, wie zum Beispiel ein Mangel an Anreizen und Ressourcen. Viele Forschende können sich aus zeitlichen oder finanziellen Gründen nicht in vollem Umfang an Open Science beteiligen – ein Großteil der Arbeit wird auf freiwilliger Basis geleistet. Außerdem muss sichergestellt werden, dass Open Science selbst nicht zu Ungleichheiten führt.
Dennoch erklärte Heidi Open Science zusammengefasst als ein Mittel zur Verbesserung der Forschungsqualität und der Gerechtigkeit in der Forschung. Angeregt durch diesen Vortrag fanden im Laufe des Tages 14 Sessions zu verschiedenen Open-Science-Themen statt. Die meisten von ihnen werden im Folgenden von den Session-Moderator:innen zusammengefasst. Über vier Session werden wir später in separaten Blogbeiträgen berichten, nämlich “Schattenbibliotheken – Plan B für die Open-Access-Transformation?” , “Mehrsprachigkeit in der Wissenschaft”, “Open Science und gefährdete Wissenschaftler:innen” und “Forschungsdatengesetz”.
Erfolgsgeschichten aus der Open-Science-Praxis ed.2
von Susann Auer
Die Einführung von Open-Science-Praktiken in Arbeitsabläufe ist ein nutzbringendes Unterfangen, doch noch immer sind nicht genügend Forschende davon überzeugt, dass es sich lohnt, ihre Forschungspraxis zu ändern – denn was haben sie davon, wenn sie Open Science praktizieren?
Deshalb haben wir in dieser Session Erfolgsgeschichten von Personen gesammelt, die Open Science praktizieren, um die Vorteile für diejenigen greifbarer zu machen, die noch unentschlossen sind. Dies ist besonders wichtig, wenn man mit etablierten Forschenden spricht, die nicht die Notwendigkeit sehen, ihre traditionelle Arbeitsweise zu ändern, und die jüngere Wissenschaftler:innen davon abhalten könnten, Open-Science-Praktiken einzuführen.
Zunächst definierten wir, was eine Erfolgsgeschichte ist – im Grunde alles, was Sie oder andere im Rahmen von Open Science getan haben und das sich positiv auf die Arbeit und Karriere ausgewirkt hat. Das Ziel dieser Sitzung war es, Erfolgsgeschichten irgendwann in nachahmenswerte Best-Case-Berichte zu verwandeln, die in Netzwerken geteilt werden können und so hoffentlich mehr Forschende davon überzeugen, diesen Weg zu wählen.
Die Teilnehmenden brachten alle unterschiedliche Hintergründe mit und die Erfolgsgeschichten, die sie erzählten, zeigten, wie weitreichend die Auswirkungen von Open Science sein können. Ein wiederkehrendes Thema in allen Berichten war das Gefühl der Befriedigung und Bestätigung, das viele empfanden, während sie an ihren Open-Science-Projekten arbeiteten. Außerdem erwähnenswert war das positive Feedback, das sie von Gleichgesinnten oder Personen außerhalb ihrer eigenen Community erhielten.
Hier ein paar Beispiele:
- Wir hörten von einem Studierendenprojekt im Kunstbereich, das aus einer Kunstinstallation bestand, die vollständig mit Code und Beschreibungen dokumentiert wurde und somit für Dritte mit denselben Ressourcen reproduzierbar ist. Die Download-Zahlen der gemeinsam genutzten Ressourcen zeigen die Sichtbarkeit des Projekts und deuten auf die Absicht der Wiederverwendung durch andere Künstler:innen hin.
- Tiefgreifende Open-Science-Erfahrungen lösten einen Karrierewechsel aus – von einer Wissenschaftlerin zur Unternehmerin – und führten zur Gründung der Digital Research Academy (DRA). Die DRA ist ein Trainingsnetzwerk, das Beratungsleistungen und Workshops zu Open-Science-Themen anbietet.
- Ein Selbstlernkurs über Open Educational Resources wurde mit einem Lehrpreis ausgezeichnet: eine große Anerkennung für ein gut durchdachtes Lehrmittel.
Insgesamt kommt Open Science nicht nur denjenigen zugute, die sie aktiv betreiben, sondern sie kann auch unvorhergesehene positive Auswirkungen auf andere haben, die von mehr Zugänglichkeit und Offenheit von Forschung profitieren. Ein aktuelles Beispiel sind benachteiligte Communities aus dem globalen Süden, die aufgrund des mangelnden Zugangs zur Forschung und fehlender Ausbildung in guter wissenschaftlicher Praxis oft routinemäßig von wichtigen wissenschaftlichen Arbeiten ausgeschlossen sind. Das kürzlich gegründete African Reproducibility Network AREN profitiert von Trainer:innen, die zumeist aus dem globalen Norden stammen und ihre Erfahrungen bereitwillig weitergeben und derzeit viele afrikanische Forschende in einer Vielzahl von Open-Science-Themen schulen.
Offene Wissenschaft im Kontext von Fachhochschulen
von Constance Holman
Die Fachhochschulen (FHs) haben bis vor kurzem in der Diskussion um Open Science in Deutschland keine herausgehobene gespielt. Im Allgemeinen sind sie im Vergleich zu Universitäten weniger forschungsorientiert und konzentrieren sich stattdessen auf die Lehre und darauf, Studierenden Erfahrungen aus erster Hand in der Industrie oder anderen Bereichen zu vermitteln. In den vergangenen Jahren hat das Interesse an Open Science an den Fachhochschulen allerdings zugenommen, gleichzeitig wird dabei immer deutlicher, dass es keine “Einheitslösung” zu geben scheint (siehe auch die Notizen aus der Sitzung “Offene Wissenschaft jenseits von MINT – auf der Suche nach einem Mittelweg” weiter unten). In dieser Sitzung kamen Teilnehmende aus akademischen Einrichtungen in Berlin und Brandenburg sowie Vertreter:innen verschiedener Open-Science-Netzwerke zusammen, um über die Herausforderungen und Möglichkeiten zu diskutieren, die speziell für die Fachhochschulgemeinschaft gelten.
Wir erfuhren, dass mehrere Einrichtungen an einer Open-Science-Policy gearbeitet haben oder derzeit arbeiten. Viele begrüßten diese Schritte und berichteten auch, dass Verpflichtungen auf dem Papier ein wichtiges Instrument seien, um sich für Veränderungen in ihren Forschungscommunities einzusetzen. Andere hingegen äußerten ihre Frustration über Strategien, die nicht mit der Zuweisung von Personal, Ressourcen und (insbesondere) Forschungsinfrastrukturen Schritt hielten.
Wie immer haben wir festgestellt, dass Open Science eine Frage des Kulturwandels ist. Dies gilt insbesondere für Forschende an Fachhochschulen (und verwandten Einrichtungen), die sich nicht so stark auf begutachtete Veröffentlichungen verlassen wie ihre Kolleg:innen an den Universitäten. Wir wurden an die wertvollen Partnerschaften und Ressourcen von Organisationen wie dem NFDI und Helmholtz erinnert. Gleichzeitig mussten wir Missverständnisse aufklären, wie etwa das Vorurteil, dass Industriepartner grundsätzlich gegen Open-Science-Initiativen seien. Zudem haben wir gesehen, wie wichtig es ist, starke Communities aufzubauen – sowohl innerhalb als auch zwischen den verschiedenen Institutionen. Selbst in so unterschiedlichen Forschungskontexten wie denen der Fachhochschulen ist es selten, dass man das Rad völlig neu erfinden muss. Wie ein Teilnehmer jedoch anmerkte, ist der Aufbau einer Community in diesem Kontext eher ein Marathon und kein Sprint.
Am Ende der Sitzung überwog ein hoffnungsvoller Gedanke: Die Teilnehmenden stellten fest, dass an den Fachhochschulen bereits eine Vielzahl von Open-Science-Praktiken praktiziert wird – sie werden nur nicht sofort von jenen, die sie anwenden, als solche bezeichnet! Die Anerkennung und Honorierung von Aktivitäten in Bereichen wie Citizen Science oder Open Educational Resources ist ein wichtiger Schritt, um die Fachhochschulen in die Diskussionen um Open Science einzubeziehen und ihnen eine Plattform zu geben, auf der sie ihr Fachwissen mit einer breiteren Community teilen können.
Wo und wer sind unsere Re-User?
von Ben Kaden
Die Sitzung untersuchte das Konzept der Wiederverwendung offener Daten in der Forschung und konzentrierte sich insbesondere auf die Frage, wie Forschungsergebnisse über allgemeine Szenarien hinaus für bestimmte Zielgruppen oder Communities of Practice sinnvoll verfügbar gemacht werden können. Es wurden mehrere Herausforderungen hervorgehoben, darunter die Gewährleistung der Auffindbarkeit und Zugänglichkeit von Daten, die Bereitstellung von Kontext und Dokumentation, die Anwendung geeigneter Lizenzen und die Verwendung offener Dateiformate.
In der Diskussion wurden verschiedene Fragen zur Wiederverwendung von Daten erörtert, darunter auch die Frage der Zielgruppen und der Rahmenbedingungen für die Wiederverwendung. Es ist von entscheidender Bedeutung, die spezifischen Zielgruppen und ihre Absichten bei der Wiederverwendung von Forschungsmaterial zu verstehen. Dazu gehört auch die Berücksichtigung disziplinärer Aspekte und die Herausforderung, eine “breite Öffentlichkeit” ohne spezielle Vermittler:innen und Kommunikationsstrategien zu erreichen. Während das Versprechen von Open Science oft sehr inklusiv ist, erfordert die Weitergabe wissenschaftlicher Ergebnisse an ein nicht-akademisches Publikum zusätzliche Übersetzungsarbeit. Es reicht nicht aus, Daten und andere Ressourcen einfach zur Verfügung zu stellen. Vielmehr müssen auch die Forschungslogik, die methodischen Besonderheiten und die Grenzen der jeweiligen Forschungsansätze in einem leicht verständlichen Kontext bereitgestellt werden.
Zusätzliche Herausforderungen bei der Förderung der Wiederverwendung sind die Gewährleistung der Auffindbarkeit, Wiederauffindbarkeit und Durchsuchbarkeit des wiederverwendbaren Materials sowie die Bereitstellung hochwertiger Metadaten und Dokumentationen. Ein weiterer Teil der Diskussion konzentrierte sich auf Strategien zur Förderung der Wiederverwendung. Die Bereitstellung allein ist oft nicht sehr effektiv. In diesem Zusammenhang sind auch der Ausbau von Reputationsmaßnahmen und die Anerkennung der Weiterverwendung als eigenständige wissenschaftliche Leistung von Bedeutung. Mögliche Strategien sind Veröffentlichungen auf etablierten Plattformen innerhalb bestimmter Communities. Außerdem ist es hilfreich, sich auf eine qualitativ hochwertige Präsentation von Forschungsdaten zu konzentrieren und entsprechende Zitier- und Bewertungsstandards zu entwickeln.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Unterscheidung der möglichen Arten der Wiederverwendung. In der Diskussion wurden die Unterschiede zwischen Reproduktion, Replikation und Wiederverwendung angesprochen, was wiederum die Notwendigkeit unterstreicht, bei der Veröffentlichung von Daten den Zweck und die möglichen Wiederverwendungsszenarien zu berücksichtigen.
Abschließend gab es zwei Hauptbereiche für weitere Untersuchungen: erstens die Überwachung und Dokumentation der tatsächlichen Weiterverwendung und zweitens die bessere Definition des Konzepts der “breiten Öffentlichkeit” im Kontext von Open Science. In der Diskussion wurde hervorgehoben, wie wichtig es ist, die Präsentation von Daten auf bestimmte Zielgruppen und Zwecke zuzuschneiden, sowie die Notwendigkeit spezieller Kompetenzen und Ausbildung bei der Vorbereitung und Vermittlung von Forschungsdaten für die Weiterverwendung.
Open-Science- und Open-Access-Vernetzung und Kompetenzzentren
von Anja Zeltner
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hatte 2016 die Einrichtung von Open-Access-Vernetzungs- und Kompetenzzentren auf Länderebene zur Förderung des Open Access zu wissenschaftlichen Publikationen angeregt. Diese Zentren entwickelten Open-Access-Strategien, setzten grundlegende Praktiken um und etablierten Stellen an Hochschulen. Acht Jahre später wollen einige dieser Zentren ihren Fokus auf Open Science und Forschungspolitik ausweiten. Die Herausforderung besteht jedoch darin, Communities of Practice für Open Science aufzubauen, ohne den ursprünglichen Schwerpunkt auf Open Access zu verlieren.
Vertreter:innen verschiedener Open-Access-Vernetzungsstellen diskutierten diese Herausforderung und kamen zu dem Schluss, dass es bessere Lösungen gibt als eine bloße Umbenennung der Zentren. In Anbetracht der begrenzten verfügbaren Ressourcen und der vorhandenen, meist auf Open Access ausgerichteten Kompetenzen, sollte die Möglichkeit einer Ausweitung des Schwerpunkts auf Open Science sorgfältig geprüft werden. Während die Open-Access-Büros eine Netzwerk- und Vermittlerrolle einnehmen können, ist ihr Einfluss in den Regionen, in denen Vereinbarungen direkt zwischen dem Staat und den Universitäten getroffen werden, möglicherweise begrenzt.
Der Erfolg der Open-Access-Strategie hat dazu geführt, dass Überlegungen zu neuen Schwerpunkten wie Open Science angestellt wurden. Allerdings ist sorgfältig abzuwägen, ob die Open-Access-Büros bei ihrem Kernthema bleiben oder ihren Fokus auf Open Science ausweiten sollten. Letzteres würde im Prinzip einen neuen oder zumindest angepassten wissenschaftspolitischen Rahmen und entsprechende spezifische Mittelzuweisungen erfordern.
Offene Wissenschaft jenseits von MINT:
Auf der Suche nach einer gemeinsamen Grundlage
von Friederike Kramer, Heidi Seibold und Claudia Voigtländer
Wie können wir Forschende aus Nicht-MINT-Disziplinen unterstützen und so uns auch gegenseitig auf dem Weg zu einer gerechten offenen Wissenschaft helfen, indem wir unser Wissen über unterschiedliche Forschungskulturen und -praktiken erweitern?
Die Diskussion der Herausforderungen, denen sich Disziplinen jenseits der MINT-Fächer im Zuge der Open-Science-Transformation gegenübersehen, kann unserer Meinung nach dazu beitragen, mögliche Biases der Open-Science-Community offenzulegen, die ihre grundlegenden Konzepte von Offenheit ursprünglich in erster Linie anhand von Herausforderungen in MINT-bezogenen Publikationskulturen und -märkten entwickelt hat.
Wir sind außerdem der Meinung, dass die Schwierigkeiten dadurch ‘ausgegrenzter‘ Disziplinen, bestimmte Open-Science-Praktiken umzusetzen, auch darauf zurückzuführen sind, dass bestimmte Forschungskulturen und Arbeitsweisen in der Community als Standard etabliert wurden und so die Open-Science-Transformation prägen. Diese Schwierigkeiten sollten entsprechend nicht einfach auf Angst vor Veränderungen oder dem Verlust von Anerkennung und Reputation reduziert werden.
In dieser spontanen Session haben wir Beispiele für Forschungspraktiken und -situationen gesammelt und diskutiert, die nicht einfach auf etablierte Open-Science-Strategien projiziert werden können, obwohl sie Aspekte wissenschaftlicher Offenheit repräsentieren, wie beispielsweise:
- verschiedene Datenformate und Veröffentlichungsprozesse
- Anbindungen an Kreativwirtschaften, die ohne öffentliche Fördermittel arbeiten
- die Abwesenheit einer Reproduzierbarkeitskrise in den Geistes- und Kulturwissenschaften
- Transdisziplinarität
- Formen wissenschaftlicher Begutachtung nach der Veröffentlichung, die derzeit als Open Peer Review und/oder Post Publication Peer Review (wieder-)eingeführt werden
- partizipative Forschungsansätze in der Sozialforschung
- oder ganz einfach die Notwendigkeit, ohne Fördermittel arbeiten zu müssen.
Letztlich mussten wir anerkennen, wie schwer es ist, die eigene Perspektive kritisch zu hinterfragen. Es ist ein viel gleichberechtigterer Austausch zwischen den Disziplinen nötig, um die Vielfalt an Ansätzen der Wissensproduktion zusammenzubringen, die erforderlich ist, um die wissenschaftliche Kommunikation im Zeitalter der Open Research wirklich neu zu überdenken und umzugestalten.
Monitoring von Open-Science-Praktiken
von Tamara Heck
Open Science scheint von den Forschungscommunities befürwortet zu werden, viele Institute haben Open-Science-Statements und -Policies verfasst. Außerdem zeigen Umfragen, dass Forschende eine positive Einstellung zu Open Science haben. Es gibt jedoch noch keine Belege dafür, dass sich Open Science als der Standard für gute wissenschaftliche Praxis in der Wissenschaft etabliert. Ein Monitoring des Fortschritts und der Effekte von Aktivitäten zur Förderung von Open Science – etwa strategische und politische Maßnahmen und unterstützende Dienste – ist entscheidend für die Bewertung unseres Weges zur Öffnung der Forschung. Es stellt sich jedoch die Frage, wie Open-Science-Praktiken auf faire und gewünschte Weise überwacht werden sollten. Die Teilnehmenden der Session sammelten aktuelle Diskussionspapiere und Initiativen zum Monitoring von Open Science (siehe Links im Pad). Neben der CoARA-Initiative ist auch der UNESCO-Entwurf von Bedeutung, dessen Initiator:innen derzeit die Open-Science-Gemeinschaft um Feedback bitten.
Die Gruppe diskutierte die Risiken einer Fehlinterpretation quantitativer Open-Science-Indikatoren und betonte die unterschiedlichen disziplinären Kulturen und die Herausforderungen beim Vergleich auf der Grundlage einfacher Indikatoren sowie die Schwierigkeit, vollständige und vergleichende Daten zur Messung von Open-Science-Praktiken, die über Open-Access-Publikationen hinausgehen, zu erhalten. Im Hinblick auf die verschiedenen Top-Down- und Bottom-Up-Initiativen wird es spannend, wie das Open-Science-Monitoring konzipiert wird und wer es in naher Zukunft umsetzen wird.
Kollaborative und Open-Data-Entwicklung
von Mika Pflüger
Bisher konzentrierten sich die Bemühungen um Open Data auf die offene Veröffentlichung und gemeinsame Nutzung von Daten, nachdem diese als “fertig” eingestuft wurden. Viele weit verbreitete Tools und Repositorien wie Zenodo haben zum Beispiel keine integrierten Funktionen für die Zusammenarbeit. In dieser Session konzentrierten wir uns auf Praktiken und Prozesse für eine offene Zusammenarbeit bei Forschungsdaten während des Forschungsprozesses. Wir diskutierten Anwendungsfälle für klimapolitische und astrophysikalische Daten. Dabei stellten wir fest, dass die Arbeitsabläufe für die gemeinsame Nutzung von Daten und die Zusammenarbeit heute je nach Fachgebiet und sogar innerhalb des Fachgebiets für bestimmte Datentypen sehr unterschiedlich sind. Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist eine Standardisierung von Datenformaten, Werkzeugen und Repositorien erforderlich, die oft auf disziplinspezifische Traditionen zurückzuführen sind. Außerdem unterscheiden sich die Arbeitsabläufe aufgrund der unterschiedlichen Datenumfänge und der damit verbundenen Speicheranforderungen. Leider sind erfolgreiche Arbeitsabläufe daher in der Regel nicht ohne weiteres auf andere Disziplinen oder Datentypen übertragbar, aber ein Mix-and-Match-Ansatz ist vielversprechend.
Auf die nächsten 10 Jahre!
Wir haben das Jubiläum auch zum Anlass genommen, eine eigene Session zur Zukunft des Barcamps anzubieten. Welche Ideen haben die Teilnehmenden für die nächsten 10 Jahre?
Zunächst haben wir uns jedoch auf die Besonderheiten des Barcamps konzentriert und die Teilnehmenden gefragt: “Warum seid ihr heute hier?” Die zahlreichen positiven und sehr unterstützenden Antworten haben uns sehr gefreut. Eine gute Mischung aus verschiedenen beruflichen Hintergründen und Disziplinen wurde als ein Grund genannt. Auch die Tatsache, dass Praktiker:innen stark vertreten sind und das breit gefächerte Thema Open Science Raum für eine Vielzahl von (miteinander verknüpften) Themenvorschlägen bietet, wurde geschätzt. In Kombination mit dem niedrigschwelligen Beteiligungsformat eines Barcamps schafft dies ein kreatives Umfeld, in dem die Teilnehmenden voneinander lernen, gemeinsam Ideen entwickeln und sich aktiv einbringen können.
Zusammenfassend können wir sagen: ‘Never change a running system’. Es wurden aber auch Ideen für die weitere Entwicklung diskutiert. Eine Idee war, das Konzept des Barcamps Open Science weiterzutragen und sich für die Etablierung ähnlicher Formate in anderen Ländern einzusetzen und das dafür notwendige Wissen für die Durchführung eines solchen Events weiterzugeben. Eine andere Idee war, den vor Ort generierten Output an relevante Netzwerke und Initiativen weiterzugeben, damit er aufgegriffen wird und nicht verlorengeht. Schließlich entstehen vor Ort oft gute Ansätze und Inspirationen, an denen nach Meinung der Teilnehmenden weitergearbeitet werden sollte. Wir freuen uns auf die nächsten 10 Jahre!
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Dr. Susann Auer ist Pflanzenbiologin und Dozentin an der TU Dresden (TUD) und eine der Leiterinnen der Schulungsinitiative “Reproducibility 4 Everyone“, die Workshops zu reproduzierbarer Forschung anbietet und inzwischen über 3,500 Wissenschaftler:innen weltweit erreicht hat. An der TUD schult sie eine neue Generation von Studierenden in der Einführung reproduzierbarer Arbeitsroutinen und guter Datenmanagementpraktiken.
Tamara Heck ist Leiterin des Referats Informationsmanagement im Informationszentrum Bildung am DIPF. Sie ist Mitorganisatorin von #oscibar und Mitglied des Leibniz-Strategieforums Open Science. Hier untersucht sie derzeit, wie sich Strategiepapiere auf die Entwicklung von Open-Science-Praktiken auswirken.
Dr. Constance Holman ist Forschungsmanagerin im Fachbereich 1 an der HTW Berlin – Hochschule für Technik und Wirtschaft, an der sie Mitglied der neuen Interessengemeinschaft Open Science ist. Zuvor hat sie an Projekten gearbeitet, die Anreize für Open-Science-Aktivitäten in den biomedizinischen Wissenschaften schaffen, insbesondere für Nachwuchswissenschaftler:innen. Sie ist auf LinkedIn zu finden.
Ben Kaden ist Teammitglied der Vernetzungs- und Kompetenzstelle Open Access Brandenburg und Mitbegründer und Herausgeber der Open-Access-Zeitschrift “LIBREAS. Library Ideas“.
Friederike Kramer ist stellvertretende Bibliotheksleiterin der Universitätsbibliothek der Universität der Künste Berlin (UdK) und Open-Access-Beauftragte der UdK. Sie ist Mitbegründerin der open-acces.network Gruppe “Open Access in the Arts” und unterstützt alle Aspekte von Open Research / Open Science in den Künsten und kunstnahen Disziplinen.
Mika Pflüger arbeitet als Forschungssoftware-Ingenieur bei Climate Resource, einem klimawissenschaftlichen Beratungsunternehmen, an vergangenen und wahrscheinlichen zukünftigen Treibhausgasemissionen von Nationalstaaten. Insbesondere arbeitet er an dem offenen Datensatz PRIMAP-hist für historische Treibhausgasemissionen und den Open Access NDC country factsheets, die die Klimaverpflichtungen der Länder zeigen. Er ist auf Mastodon zu finden.
Dr. Guido Scherp ist Leiter der Abteilung “Open-Science-Transfer” an der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft. Er ist auch auf LinkedIn und Mastodon zu finden.
Heidi Seibold ist Mitbegründerin der Digital Research Academy und Open-Science-Enthusiastin. Außerdem ist sie Mitglied der Steuerungsgruppe des German Reproducibility Networks und Vorstandsmitglied von Open Innovation in Life Sciences (OILS).
Claudia Voigtländer ist Open-Research-Referentin an der Bibliothek der Alice Salomon Hochschule Berlin. Zuvor war sie sowohl im wissenschaftlichen als auch im kommerziellen Verlagswesen im Bereich der Kunst-, Wissenschafts- und Technologiewissenschaften tätig.
Dr. Anja Zeltner ist Teamleiterin der Vernetzungs- und Kompetenzstelle Open Access Brandenburg und hat zuvor in verschiedenen Funktionen bei wissenschaftlichen Verlagen gearbeitet. Sie ist zu finden auf LinkedIn und ORCID.
All photos: Bettina Ausserhofer©
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