Open Science: Grassroots-Initiative von Studierenden für Studierende an der Universität von Amsterdam

Die Studierenden-Initiative für Open Science (SIOS) an der Universität Amsterdam wurde von Studierenden initiiert und wird bis heute von ihnen betrieben. Die Basisbewegung möchte Studierende so früh wie möglich, freiwillig und manchmal spielerisch an das zuweilen recht abstrakte Themenfeld von offenen Praktiken heranführen und ihnen so das Uni-Leben erleichtern. Gute wissenschaftliche Praxis sollte so früh wie möglich gelernt und verinnerlicht werden, so die Devise.

Marla Dressel und Franziska Nippold von SIOS hatten das Projekt dieses Jahr auf der Open Science Conference vorgestellt. Nun haben wir mit ihnen gesprochen und sie nach ihrer Motivation gefragt, denn Credit Points gibt es für das Engagement nicht. Im Interview verraten sie uns außerdem, wie ihr universitäres Umfeld auf die Grassroots-Initiative reagiert hat und inwiefern wissenschaftliche Bibliotheken sie unterstützen können. Am Ende gibt es Anknüpfungspunkte und Links für alle, die gerne eine ähnliche Bewegung an ihrer Universität etablieren möchten.

Ein Interview mit Marla Dressel und Franziska Nippold

Eure Graswurzelbewegung ist sehr spannend, da sie auf die Open-Science-Ausbildung von Studierenden an der Universität Amsterdam abzielt. Was war eure Motivation?

Ein Kurs mit dem Titel “Gute Forschungspraktiken” in unserem Psychologie-Masterprogramm war ein wichtiger Motivationsfaktor. Der Kurs lehrt die Student:innen, wie man zuverlässige Wissenschaft betreibt und diskutiert aktuelle Forschungspraktiken. Kommiliton:innen von uns fanden es ziemlich enttäuschend, dass sie Open Science erst während ihres Masterstudiums kennenlernten und viele Studiengänge solche Kurse überhaupt nicht anbieten. Außerdem richten sich die meisten Open-Science-Initiativen hauptsächlich an Doktorand:innen, Postdocs und Professor:innen. Auch die Ressourcen und Materialien sind nicht an die Bedürfnisse der Studierenden angepasst.

Wir hatten das Gefühl, dass die Studierenden in der Open-Science-Bewegung übersehen werden. Wir sind der Meinung, dass dies fatal sein könnte, da Studierende die Forscher:innen von morgen sind.

Aus diesem Grund wurde SIOS (Studierendeninitiative für Open Science) ins Leben gerufen. Wir wollten die Student:innen in die Bewegung einbeziehen und ihnen eine offene Ausbildung zu Open Science bieten.

Wir sind Data Sharing. Wir sind Open Access.
Wir sind Reproduzierbarkeit.
Wir sind Open Science, von Studierenden für Studierende.

Was sind eure Aktivitäten?

Unser Veranstaltungsteam organisiert eine breite Palette von Aktivitäten. Wir veranstalten Vorlesungen zu Open-Science-Themen (z. B. zum Unterschied zwischen explorativer und konfirmatorischer Forschung, zur Bayes’schen Statistik, zu vorregistrierten Berichten), Workshops, in denen wir den Studierenden praktische Hilfsmittel an die Hand geben (z. B. Vorregistrierung von Dissertationen, Versionskontrolle mit GitHub, Power-Analyse, JASP) sowie weitere unterhaltsame Aktivitäten, bei denen Studierende zusammenkommen, wie z. B. Open-Science-Filmabende, Kneipenquiz oder Diskussionsrunden. Wir haben auch ein Kommunikationsteam am SIOS, das in den sozialen Medien sehr aktiv ist, vor allem auf Twitter, aber auch auf Instagram und auf Facebook. Hier verbreiten wir unsere Veranstaltungen und Ressourcen gemeinsam mit anderen Student:innen, Wissenschaftler:innen, Universitäten und allen anderen, die daran interessiert sind. Gleichzeitig nehmen wir an Konferenzen teil und schreiben Förderanträge. Auch auf unserer Website und in unserem Slack Channel stellen wir Materialien und Ressourcen für Studierende bereit. Hier können die Student:innen auch Fragen stellen und über aktuelle Themen diskutieren. Neben dem rein pädagogischen Teil führen wir derzeit eine Studie über die Forschungspraktiken von Student:innen durch.

Wie hat euer Umfeld (z.B. Profs, Dozent:innen …) darauf reagiert?

Wir haben immense Unterstützung von unseren Studienkoordinator:innen, Professor:innen und Dozent:innen erhalten. Viele von ihnen haben angeboten, selbst Vorlesungen zu halten und uns bei unseren Bemühungen zu unterstützen. Für uns ist es sehr befriedigend, die Resonanz in der Community zu sehen, aber gleichzeitig wissen wir auch, dass wir das Glück haben, dass unsere Universität sehr methodenbewusst ist und dass dies an Universitäten außerhalb der Niederlande vielleicht anders ist. Noch wichtiger ist, dass die Studierenden unsere Veranstaltungen als hilfreich empfinden und wir viel positives Feedback von ihnen erhalten.
 

Sind denn einige eurer Aktivitäten Teil des Lehrplans der Universität, sodass die Student:innen dafür Credits Points erhalten? Ist das überhaupt euer Ziel?

Neben dem Kurs, den wir bereits erwähnt haben (Gute Forschungspraktiken), können Studierende für den Besuch unserer Vorlesungen Leistungspunkte (Credit Points) erhalten. Das ist zumindest ein Anfang, und so konzentrieren sich unsere Ziele eher darauf, unsere Botschaft zu verbreiten und dabei zu helfen, andere SIOS an verschiedenen Universitäten einzurichten. Wir haben jedoch gerade von einer neu gegründeten SIOS gehört, dass sie sich definitiv darauf konzentrieren wird, Open Science in den Lehrplan zu integrieren, da es dort noch nicht einmal einen Kurs zu guten Forschungspraktiken gibt. Wir hoffen, dass eines Tages jede:r Forschungsstudent:in Zugang zu Open-Science-Materialien haben wird, wenn er:sie dies wünscht.

Wie stellt ihr sicher, dass euer Engagement und eure Projekte nachhaltig und langlebig sind?

Eine einfache Antwort wäre, dass wir derzeit alle unsere Projekte digitalisieren (danke, COVID!). Das heißt, wir zeichnen alle unsere Vorlesungen auf und stellen unsere gesamte Palette an Materialien kostenlos auf unserer Website und in den sozialen Medien zur Verfügung. Wir haben auch einen Schritt-für-Schritt-Leitfaden erstellt, um eine eigene Initiative für Open Science zu gründen, und wir werben mit diesem Leitfaden bei anderen Universitäten.

Gleichzeitig machen wir uns Gedanken darüber, was die Studierenden brauchen. Aus diesem Grund sind die meisten unserer Vorlesungen sehr einführend.

Wir denken, dass dies ein allgemeines Problem in der Open-Science-Bewegung ist – dass jede:r, der:die noch nicht so viel darüber weiß, Probleme hat, all die Informationen und Debatten einzuordnen, die derzeit stattfinden.

Deshalb besuchen oft Doktorand:innen und andere Forschende unsere Vorlesungen – wir bieten umfassende Informationspakete an.

Wir glauben auch, dass es am besten ist, so früh wie möglich damit anzufangen, den Student:innen Praktiken der offenen Wissenschaft beizubringen. Nimm zum Beispiel die Vorregistrierung (pre-registraion): Wenn Studierende dies bereits für ihr allererstes Forschungsprojekt, in den meisten Fällen die Bachelorarbeit, tun, wird es für sie zur Normalität werden, diese Praktiken anzuwenden. Auf diese Weise bringen wir den Studierenden so früh wie möglich bei, Open-Science-Praktiken langfristig zu integrieren, und schaffen ein Bewusstsein dafür.

Wie können wissenschaftliche Bibliotheken Initiativen wie die eure unterstützen?

Wir sind der Meinung, dass man eine Menge tun kann. Der wichtigste Schritt ist, dass sie uns dabei helfen, unsere Bemühungen zu verbreiten. Das kann in den sozialen Medien und auf ihrer Website geschehen. Bibliotheken können uns auch immer um Zusammenarbeit bitten, vor allem jetzt, wo es einfacher ist, gemeinsame Workshops online zu organisieren. Bibliotheken können auch ihre studierenden Nutzer:innen bitten, ihre eigenen SIOS zu gründen. Und ganz allgemein können sie selbst alle Arten von Materialien zur Verfügung stellen und sich an unserem Slack Channel beteiligen.

Habt ihr irgendwelche Tipps für andere Student:innen, die eine solche Initiative starten wollen? (Wie) Können sie von euch Unterstützung erhalten?

Wir haben eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Gründung einer eigenen SIOS erstellt. Das sind natürlich nur Richtlinien, nicht unbedingt ein Regelwerk. Wir sind der Meinung, dass die Erstellung eines SIOS nicht ganz einfach ist, dass man aber eine Menge Unterstützung bekommen kann, wenn man danach fragt. Sie können sich an uns von SIOS Amsterdam wenden (wir finden immer Zeit für ein Treffen mit uns und geben Empfehlungen), aber auch an Dozent:innen und andere Universitätsmitarbeiter:innen. Außerdem bietet die Gründung einer solchen Initiative viele Anreize. Von der Möglichkeit, viel über Open Science und aktuelle Debatten zu lernen, über Networking bis hin zu einer sinnvollen Tätigkeit neben dem Studium – die Gründung einer solchen Initiative ist von Natur aus sehr lohnend.

Wir sprachen mit Franziska Nippold und Marla Dressel.

Dieser Text ist eine Übersetzung aus dem Englischen.

Link-Liste von SIOS

Weblinks zum Kurs “Gute Forschungspraktiken”

Zum Weiterlesen

Wir sprachen mit:

Marla Dressel absolviert ihren Forschungs-Master in Psychologie an der Universität Amsterdam mit dem Hauptfach Gehirn & Kognition und dem Nebenfach Psychologische Methoden. Sie mag Gehirne, soziale Neurowissenschaften und Open Science. Bei SIOS ist sie für die externe Kommunikation und die Leitung des Teams zuständig. Sie ist auch auf LinkedIn und Twitter zu finden.
Porträt: Marla Dressel©

Franziska Nippold absolviert ihren Forschungs-Master in Psychologie an der Universität Amsterdam mit dem Hauptfach Sozial- und dem Nebenfach Arbeits- und Organisationspsychologie. Bei SIOS ist sie für die interne und externe Kommunikation zuständig. Sie ist auch auf Twitter zu finden.
Porträt: Franziska Nippold©

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Fehlende deutsche Übersetzung

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