InnOAccess-Workshops: Gebührenfreie Open-Access-Zeitschriften nachhaltig publizieren
Von der Forschungscommunity getragene, verlagsunabhängige Open-Access-Zeitschriften leben vom Engagement ihrer Redaktionen. Wie können sie nachhaltig organisiert und finanziert werden? Dr. Nicole Waidlein und Marcel Wrzesinski berichten von den Ergebnissen zweier Transferworkshops zum Open-Access-Publizieren in kleineren Fächern.
von Dr. Nicole Waidlein und Marcel Wrzesinski
Im Rahmen des DFG-geförderten Projektes “Innovatives Open Access im Bereich Small Science” (InnOAccess) fanden am 29. und 30. September sowie am 6. und 7. Oktober 2020 zwei digitale Transferworkshops statt.
Der erste Workshop widmete sich speziell technischen Fragen und der kooperativen Unterstützung beim Publizieren von Open-Access-Zeitschriften und wurde vom Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) durchgeführt. Im zweiten Workshop, ausgerichtet von der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft, stand die nachhaltige Finanzierung und Community-Integration von Open-Access-Zeitschriften im Mittelpunkt. Projekt und Workshops hatten zum Ziel, verlagsunabhängige (scholar-led), gebührenfreie Open-Access-Zeitschriften zu unterstützen und abzusichern.
Der Kreis der Teilnehmenden war bei beiden Themenschwerpunkten überaus vielfältig: Herausgeber:innen von Open-Access-Zeitschriften, Beschäftigte aus Universitätsbibliotheken, Vertreter:innen von Verlagen, Netzwerken und Plattformen diskutierten an den vier Tagen im Plenum und in diversen Breakout-Sessions.
Technische Innovationen und Vernetzung der Community
Im Rahmen des ersten Workshops „Technical Innovation & Networking Models“ wurden beispielhaft die Workflows zweier Open-Access-Zeitschriften präsentiert sowie mögliche technische Lösungen vorgestellt und diskutiert.
Es wurde deutlich, dass Herausgeber:innen von Open-Access-Zeitschriften häufig autonom als Kollektiv agieren und sich in vielen Fällen mehr Beratung von ihrer Einrichtung oder Community wünschen; zudem werden technische Möglichkeiten und zeitsparende Publikationslösungen nicht immer voll genutzt. Mehrfach äußerten unterschiedliche Herausgeber:innen den Wunsch, sich auf die Inhalte ihrer Artikel bzw. der Zeitschrift – das editorische Kerngeschäft – konzentrieren zu können und weniger Zeit in technische, finanzielle oder rechtliche Angelegenheiten investieren zu müssen. So seien neueste Redaktionsmanagementsysteme oft mit hohem Lernaufwand verbunden, was mit Blick auf die oft ehrenamtliche Tätigkeit der Redaktion eine zusätzliche Belastung darstellen würde.
Auf der anderen Seite zeigte sich während des Workshops, dass viele Redaktionen bereits von gelungenen technischen Lösungen profitieren und diese zusammen mit der Open-Access-Community weiterentwickeln. Durch deren Nutzung – so wurde deutlich – kann der Publikationsprozess standardisiert und für alle Beteiligten (Herausgeber:innen, Autor:innen und Reviewer:innen) erleichtert werden. Dies trägt wiederum zur Schonung der ohnehin knappen Arbeitsressourcen und zur Qualitätssicherung bei. Insgesamt gelangten die Teilnehmenden zu der Überzeugung, verstärkt neue, Open-Source-Technologien in den Publikationsprozess integrieren zu wollen und (weiterhin) an deren Entwicklung mitzuwirken.
Nachhaltige Finanzierung von gebührenfreien Open-Access-Zeitschriften
Der zweite Transferworkshop „Sustainable Financing without APCs“ zielte vor allem auf die Frage nach einer langfristigen und nachhaltigen Finanzierung von gebührenfreien Open-Access-Zeitschriften ab. Dabei diskutierten die Teilnehmenden nicht nur nachhaltige Finanzierungsquellen sowie deren praktische Anwendbarkeit, sondern betrachteten auch mögliche Kostenfaktoren, die durch einen effizienten, gegebenenfalls automatisierten Publikationsprozess reduziert werden können.
Es hat sich gezeigt, dass die meisten der teilnehmenden Herausgeber:innen auf der Suche nach einem nachhaltigen Finanzierungsmodell sind und sich die jeweiligen Zeitschriften in der Transitionsphase hin zu mehr Nachhaltigkeit befinden. Gerade in den Anfangsjahren einer Open-Access-Zeitschrift lässt sich häufig noch eine Anschubfinanzierung (beispielsweise über die DFG) finden, jedoch ist die Suche in der überaus komplexen Open-Access-Landschaft gerade nach langfristigen finanziellen Lösungen weitaus schwieriger. Sehr offen und zustimmend diskutierten die Teilnehmenden in dieser Hinsicht kooperative Modelle, den Freemium-Ansatz oder Möglichkeiten des (institutionellen) Sponsorings. Auch wurden generische Artikelgebühren (sogenannte Article Processing Charges, kurz APC), bei denen Autor:innen beziehungsweise zugehörige Institution die Kosten tragen, von einigen Herausgeber:innen als mögliche Alternative bewertet. Die Teilnehmenden schlossen APCs demnach nicht grundsätzlich aus. Sie problematisierten aber unverhältnismäßig hohe Beträge sowie das Fehlen eines Gebührennachlasses oder -erlasses (Waiver-Modells), bei dem die Gebühren in bestimmten Fällen vermindert werden können.
Organisationsformen für Effizienz, Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit
Neben den langfristigen Finanzierungsmodellen wurden zudem zwei Organisationsformen diskutiert, die für ein unabhängiges, aber auch effizientes und nachhaltiges Publizieren von gebührenfreien Open-Access-Zeitschriften zuträglich sein können. Zum einen können Netzwerke – wie etwa das BMBF-geförderte open-access.network oder das internationale Radical Open Access Collective – Akteur:innen aktivieren, vorhandenes Wissen bündeln und zur Nachnutzung anleiten. Diese Informations- und Vernetzungsfunktion schafft Synergien und spart den Redaktionen vielfach Zeit für Recherche oder Entwicklung. Der Fokus bleibt auf dem Kerngeschäft, zugleich finden Innovationen im Publikationswesen Verbreitung.
Zum anderen können Plattformen und Anbieter:innen von Publikationsdienstleistungen, wie beispielsweise SciPost, Knowledge Unlatched, Open Edition oder Open Library of Humanities, eine technische und/oder finanzielle Unterstützung für bestehende oder neue Open-Access-Zeitschriften bieten. Aufgrund unterschiedlicher Aufnahme- beziehungsweise Förderbedingungen ist nicht jede Plattform für jede Open-Access-Zeitschrift geeignet. Hier sind Einzelfallprüfungen notwendig, möglicherweise verbunden mit dem Eingeständnis, dass ein Teil der Unabhängigkeit zugunsten plattformabhängiger Infrastrukturen aufgegeben werden sollte.
Da die vorhandenen Plattformen und Dienstleistungsanbieter in Deutschland derzeit noch nicht alle Zeitschriftenkontexte und Arten von Publikationsprojekten berücksichtigen, sprachen sich die Teilnehmenden für eine Erweiterung der Möglichkeiten aus. Verstärkt bedürfe es zentraler Open-Access-Plattformen, die in der Hand der Wissenschaft liegen und vorhandene Expertisen etwa von Rechenzentren und Universitätsbibliotheken nutzen.
Bei diesem wissenschaftsnahen, verlagsunabhängigen Publizieren sollen Verlagshäuser allerdings nicht ausgeschlossen werden. Vielfach wurde auf die wichtige kuratorische Funktion von Verlagen sowie deren Expertise im Bereich Publikationsdienstleistungen hingewiesen. Allerdings – so der Tenor – sollten auch große Verlagshäuser transparent mit ihren Leistungs- und Kostenkatalogen umgehen. Es bedürfe hier einer größtmöglichen Offenheit und einem kritischen Bewusstsein für rein profitorientiertes Publizieren von Forschungsergebnissen, die von öffentlicher Hand finanziert wurden.
Was sind die besten Strategien zum nachhaltigen OA-Publizieren?
In technischer Hinsicht sollten sich die Herausgeber:innen bei der Gründung einer Open-Access-Zeitschrift die Pfadabhängigkeit von Anfangsentscheidungen bewusstmachen. Welches Content-Management-System wähle ich? Binde ich meine Zeitschrift an eine Plattform, einen Universitätsverlag, eine Universitätsbibliothek oder überregionale Plattform an? Welche technischen Lösungen benötige ich? Wie wichtig ist mir eine individuelle Lösung im Vergleich zu standardisierten Musterlösungen?
Zudem sollten neue Redaktionen die wichtigsten Netzwerke und Plattformen nutzen, den Blick in andere Fachdisziplinen wagen und mutig im Hinblick auf technische Innovationen sein. In diesem Zusammenhang wurde die zentrale Rolle der Universitätsbibliotheken und -verlage als Service- und Informationseinrichtungen immer wieder deutlich. Diese könnten auch Angebote zum Training und zur Weiterbildung noch unerfahrener Redaktionen anbieten.
Schließlich waren sich die Teilnehmenden einig, dass Vernetzung und das gemeinsame Suchen nach Finanzierungsmöglichkeiten essenziell seien. Es bedarf einer Art Zeitschriftenlobby, um gemeinsam an Universitätsbibliotheken und andere, fördernde Einrichtungen heranzutreten. Ein konkretes Ergebnis des Workshops hierzu ist die Gründung der Fokusgruppe “Scholar-led Journals” im Rahmen der Infrastruktur des open-access.networks – weitere Informationen dazu folgen.
Letztlich ist scholar-led Publizieren wesentlich von der Leidenschaft der Redaktionen getrieben. Deren ehrenamtliches Engagement sollte mehr Anerkennung und idealerweise Vergütung finden. Auch wenn Open-Access-Publizieren für viele eine Herzensangelegenheit ist, darf es nicht in einer selbstausbeuterischen Praxis enden. Die Projektergebnisse, inklusive der Ergebnisse der beiden Transferworkshops, werden Anfang 2021 in Form von zwei White Papern auf der Projekt-Website veröffentlicht.
Dr. Nicole Waidlein ist wissenschaftliche Redakteurin der Zeitschrift Wirtschaftsdienst der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft. Sie ist auch auf ORCID zu finden.
Porträt: ZBW©, Photografin Lisa Flieger
Marcel Wrzesinski ist Open Access Officer am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft und leitet das BMBF-Projekt „Scholar-led Plus“ (zusammen mit Knowledge Unlatched). Im Projekt werden Möglichkeiten gemeinschaftlicher Finanzierung von Open-Access-Zeitschriften entwickelt und erprobt. Dabei ist ihm die Professionalisierung, Absicherung und Vernetzung von Open Access in kleinen und interdisziplinären Fachzusammenhängen ein besonderes Anliegen. Er ist auch auf ORCID und Twitterzu finden.
Porträt: Marcel Wrzesinski, Fotografin: Franziska Cagic©
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