Working Out Loud: So wird die lernende Bibliothek unterstützt

im Interview mit Carina Dony

Working Out Loud (WOL) kann Openness und Collaboration fördern. Kürzlich wurde bekanntgegeben, dass Carina Dony mit ihrer Bachelorarbeit „Working Out Loud zur Unterstützung der Lernenden Bibliothek“ zu den Gewinnerinnen und Gewinnern des b.i.t. online Innovationspreises 2020 gehört. Wir haben sie zur Rolle von WOL für lernende Bibliotheken interviewt.

Liebe Frau Dony, erst einmal herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des b.i.t.online Innovationspreises 2020 für Ihre Bachelorarbeit über den Einsatz von Working Out Loud in Bibliotheken. Wie sind Sie auf das Thema Working Out Loud gekommen und womit genau haben Sie sich in Ihrer Bachelorarbeit beschäftigt?

Vielen Dank für die Glückwünsche und die Einladung zu diesem Interview.
Working Out Loud lernte ich im Rahmen eines Studienprojekts bei meiner Dozentin Frau Dr. Wittich kennen. Wir gründeten innerhalb der Projektgruppe eigene Circle und trafen uns jede Woche virtuell. In dieser Phase reflektierten wir schon, für welche Zielgruppen WOL geeignet sein könnte. Meine Bachelorarbeit ist eine weitere Vertiefung dazu. Durch WOL habe ich gelernt, neue Gewohnheiten zu üben, mich zu vernetzen und großzügig im Team zusammenzuarbeiten. Diese Erfahrungen wollte ich gern teilen und in einen größeren Zusammenhang einordnen.

Mit meiner Bachelorarbeit „Working Out Loud zur Unterstützung der Lernenden Bibliothek“ habe ich versucht herauszufinden, wie die Methode Working Out Loud Bibliotheken auf ihrem Weg zur Lernenden Organisation unterstützen kann. Wir arbeiten in einer komplexen Welt, die sogenannte VUCA-Welt, die von Volatilität (= Unbeständigkeit), Unsicherheit, Komplexität (Complexity) und Ambivalenz geprägt ist. Um damit umzugehen, benötigen wir grundlegend zwei Dinge: zum einen eine Organisationsstruktur, die ein hohes Maß an Flexibilität in den Arbeitsprozessen bietet, und zum anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die lernen, diese Veränderungsprozesse aktiv mitzugestalten. Strukturen in einer Organisation zu ändern, kann ein langwieriger Prozess sein, mit dem sich vor allem die Führungskräfte auseinandersetzen müssen. Einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können dennoch etwas tun, indem sie lernen, mit Veränderungen umzugehen und sich auf lebenslanges Lernen einzustellen. John Stepper entwickelte das zwölf Wochen dauernde Working-Out-Loud-Programm ursprünglich für die persönliche (Weiter-)Entwicklung von Individuen.

Was ist das Besondere an der Methode WOL und welche Vorteile bietet sie beziehungsweise welche Fähigkeiten trainiert sie?

WOL besticht geradezu durch seine Einfachheit. Ich habe am Anfang meines Circles, der zum praktischen Einstieg in WOL diente, nicht geahnt, wohin mich diese zwölf Wochen führen würden. Viele Übungen klingen banal und es ist zunächst nicht klar, was diese bewirken sollen. Dennoch führen die Übungen im Verlaufe der zwölf Wochen zu einem anderen Mindset, einer anderen Denkens- und Handelsart der Teilnehmenden. Working Out Loud ist eine Art, wie Menschen lernen können, wertschätzend miteinander umzugehen, zu arbeiten und sich zu vernetzen. WOL regt dazu an, Konzeptideen früh mit anderen zu teilen und sich Hilfe zur Weiterentwicklung eines Themas zu holen. Viele Übungen, die in den zwölf Wochen auftauchen, trainieren zudem Sozialverhalten und emphatisches Einfühlungsvermögen.

Welches Potenzial sehen Sie für WOL in Bibliotheken und wie könnten sie durch einen vermehrten Einsatz profitieren?

WOL kann den Blickwinkel des Einzelnen verändern und dazu führen, das Ganze, etwa das Ziel einer Institution, in den Blick zu nehmen. Ich sehe Potenziale auf interner und externer Ebene. Intern kann WOL die Kommunikation sowie eine wertschätzende Feedbackkultur anregen und dadurch die Zusammenarbeit verbessern. Auch das abteilungsübergreifende Arbeiten könnte gefördert werden. Extern sehe ich großes Potenzial darin, sich mehr zu trauen, in Kontakt zu anderen Bibliotheken und bibliotheksnahen Institutionen (wie Archiven und Museen) zu treten und neue Kooperationen anzustoßen. Viele Bibliotheken behalten ihr Wissen gerne noch für sich und präsentieren es nur in Auswahl auf Kongressen. Die meisten Bibliotheken sind in öffentlicher Trägerschaft und daher (meines Erachtens nach) nicht so stark dem wirtschaftlichen Wettbewerb unterworfen. Wir sollten unser Wissen schneller und in offenen Formaten bereitstellen und besprechen. So könnten wir unsere Services in den Bibliotheken attraktiv halten und ausbauen. Voneinander und miteinander lernen und somit wachsen. Wir erfüllen eine wichtige Aufgabe für unsere Nutzergruppen und sollten auch in Zukunft Ansprechpartner bleiben. In Zeiten von „Fake News“ und zunehmender Digitalisierung brauchen Bürgerinnen und Bürger einen starken (Bildungs-)Partner, der ihnen hilft, sich mit diesen Themen kritisch auseinanderzusetzen.

Wie kann WOL die lernende Bibliothek unterstützen?

Eine lernende Organisation ist stark auf das Mitmachen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewiesen. WOL ist ein Programm, das Individuen eine Stimme gibt. Es hat viele Ansätze, die das agile Arbeiten und Wissensmanagement fördern. Dazu gehört, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lernen, sich selbst (nochmal besser) zu organisieren, im Team zusammenzuarbeiten und sich globaler zu vernetzen. In Woche 8 gibt es eine Übung, bei der der Fortschritt zum gewählten Ziel in einem Diagramm festgehalten werden soll, und in Woche 3 wird intensiv über das Thema Zeitmanagement gesprochen. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass durch die Methode WOL alle Denk- und Arbeitsmuster überdacht und angepasst werden, sodass Arbeitsprozesse flexibler und einfach dynamischer laufen.

Welche Bibliotheken praktizieren WOL bereits?

Bisher sind mir noch keine Bibliotheken bekannt, die es ausprobiert haben. In meiner Arbeit konnte ich dies aufgrund des Zeitrahmens nur theoretisch betrachten und eine Empfehlung aussprechen, es einfach auszuprobieren. Ich würde mich über einen Bibliotheks-Circle sehr freuen.

Wie könnten Bibliotheken vorgehen, um WOL einzuführen?

WOL ist nichts, was eingeführt werden kann. Es kann nicht „von oben“ verordnet werden. Das Programm kann nur auf Freiwilligenbasis durchlaufen werden. Allerdings ist es von Vorteil, wenn sich die Führungsebene zu dem Thema klar positioniert und dazu anregt, Circles zu starten. Ein erster Anreiz ist dabei, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern diese Lernzeit einzuräumen. Das könnte beispielsweise bedeuten, dass es erwünscht ist, die Treffen während der Arbeitszeit stattfinden zu lassen. Innerhalb der Organisation bietet es sich auch an, interne Ansprechpersonen zum Thema WOL zu haben, bei eventuellen Rückfragen. Wobei sich gerade diese Fragen auch über die WOL Online Community immer gerne und leicht beantworten lassen.

Wie könnten einzelne Kolleginnen und Kollegen WOL für sich nutzen, auch ohne institutionelle Unterstützung?

Einen Circle im privatem Umfeld starten oder fremde Personen suchen mit dem Circlefinder. Die positiven Erfahrungen daraus mit in die eigene Einrichtung nehmen und somit neugierig machen. Einfach zeigen, was sich bei einem selbst verändert hat. WOL leben in seinen verschiedenen Facetten. Beispielsweise einen emphatischen und wertschätzenden Umgang mit Kolleginnen und Kollegen oder das fördern der Kommunikation im Team, können kleine Schritte sein.

Wir sprachen mit Carina Dony.

Nach dem Abschluss der Ausbildung zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste an der Universitätsbibliothek Kaiserslautern im Jahr 2013 war Carina Dony (Twitter: @CarinaD688) bis 2019 an der Universitätsbibliothek Mannheim angestellt. Von 2015 bis 2019 absolvierte sie berufsbegleitend den Studiengang Informationsmanagement an der Hochschule Hannover. Seit August 2019 ist sie im Vor-Ort-Service der Schulbibliothekarischen Arbeitsstelle bei der Stadtbücherei Frankfurt (Main) tätig.

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