Blockchain: Wie sie Forschung offener und transparenter machen könnte

von Birgit Fingerle

Die Studie „Blockchain in der Hochschulbildung – Grundlagen – Potenziale – Grenzen“ wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung erstellt und im Juli 2019 veröffentlicht.

Sie knüpft an die Ende 2017 veröffentlichte EU-Studie “Blockchain in Education” an, mit Fokus auf das deutsche Hochschulsystem. In den einzelnen Kapiteln geht es um die technologischen und konzeptionellen Grundlagen der Blockchain-Technologie und die technischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Mehrwerte ihres Einsatzes, etwa ihren potenziellen Beitrag zur Kostensenkung von Transaktionsprozessen. Andererseits werden auch Beschränkungen, Risiken und Nachteile der Blockchain betrachtet. Konkrete Anwendungsfälle im Hochschulbereich werden dargestellt, analysiert und diskutiert.

Insbesondere in den folgenden Hochschulbereichen wird ein großes Potenzial für den Einsatz von Blockchain gesehen, die in der Studie ausführlich beleuchtet werden:

  • Beglaubigung, Ausstellung und Anerkennung von Bildungsnachweisen
  • Dezentralisierung von Software und Daten in Lehre und Studium
  • Minimierung von Studierendendaten in der Verwaltung
  • Nachverfolgung akademischer Inhalte und Werke
  • Management von Zahlungen und Mittelflüssen

Wir stellen einige Anwendungsbereiche vor, in denen Blockchains Open Science fördern könnten.

Statt proprietärer Software Blockchain-basierte dezentralisierte Apps

Kooperation kann in sozialen Netzwerken, Social Intranets, Wissensplattformen und mit anderen Tools stattfinden. Bei der Nutzung dieser Plattformen muss man darauf vertrauen, dass der Betreiber unter anderem die Daten nicht missbraucht, dass die Identität der Nutzer geprüft wird, dass die geposteten Inhalte real und seriös sind und dass die Plattform auf die vom Betreiber versprochene Art und Weise betrieben wird. Bei Missbrauch dieses Vertrauens kann eine zentrale Plattform großen individuellen oder kollektiven Schaden anrichten. Im Bereich der Hochschulen werden zentralisierte Netzwerkanwendungen unter anderem verwendet für Hochschulinformationssysteme, Lernmanagementsysteme, Echtzeit-Kommunikationstools, kollaborative Office-Anwendungen, Online-Archive und Bibliotheksanwendungen, durch Crowdsourcing generierte Referenzdatenbanken sowie soziale Netzwerke einschließlich beruflicher Netzwerke.

Ein generell anderer Ansatz wäre es, wenn Hochschulen dezentralisierte Apps (dApps) nutzen würden, bei denen Blockchain eine zentrale Rolle spielt. Mittels dApps könnten sie ihren Lehrenden und Studierenden die für Lehre und Studium erforderliche Software zur Verfügung stellen. So müssten sie das Hosting nicht selbst konfigurieren und keine Lock-in-Verträge mit proprietären Dienstleistern eingehen. Für die im Bildungsbereich verwendeten Anwendungen ist eine Umstellung auf dezentralisierte Anwendungen prinzipiell denkbar. Durch die Einführung dezentralisierter Apps würden die Kosten des App-Betriebs (Elektrizität, Bandbreite, Speicherung) auf die Nutzer übergehen. Da Servicegebühren oder Beiträge an Dritte nicht mehr gezahlt werden müssten, wären dies allerdings eh die einzigen Kosten, die entstehen würden. Für die Nutzerinnen und Nutzer wären die Kosten damit sogar weit geringer als bei den gegenwärtigen Lösungen. Allerdings wäre dies nur unter der Voraussetzung möglich, dass sich aktive Entwickler-Communities finden, die echte dezentralisierte Apps programmieren. Die Nachfrage nach dezentralisierten Apps wird jedenfalls als extrem hoch eingeschätzt. Denn wirklich private und freie Bildungssoftware wäre für alle Akteure im Hochschulwesen ein großer Zugewinn.

Akademische Inhalte und Werke leichter nachverfolgen

Die Nachverfolgung von akademischen Inhalten und Werken ist sehr komplex und kostspielig. Sie wird von spezialisierten Anbietern vor allem dann durchgeführt, wenn ein erhebliches geschäftliches Interesse daran besteht. Bei der Veröffentlichung von Werken im Eigenverlag ist es nur schwer möglich, deren Nutzung nachzuverfolgen und sie zugeschrieben oder vergütet zu bekommen. So wird etwa die Wiederverwendung von Open Educational Resources allgemein gar nicht überwacht oder allenfalls mittels sehr einfacher Metriken mit begrenztem Nutzen.

Würden Blockchains zur Beglaubigung von Autorenschaften und IP-Rechten eingesetzt werden, würde das Datum der Veröffentlichung und ein Verweis auf die Publikation auf einer Blockchain ablegt werden. Auf diese Weise könnte jede Person mit geringem Aufwand einen überprüfbaren Autoren- und Urheberrechtsanspruch anlegen. Dies wäre auch dann möglich, wenn das zugrundeliegende Quellenmaterial nicht öffentlich zugänglich sein würde. Insofern würde dies das geltende Urheber- und Patentrecht grundlegend verändern.

Blockchains könnten nicht nur die Veröffentlichung akademischer Inhalte und Werke dokumentieren, sondern auch die Nutzung geistigen Eigentums überwachen. All dies könnten die Rechteinhaber selbst durchführen, so dass es nicht länger nötig wäre, dass sie einen Teil ihrer Rechte an Dritte abtreten. Lizenzgebühren könnten direkt bei den Nutzenden erhoben und an die Rechteinhaber verteilt werden.

Aus technologischer Sicht ist das Urheberrechtsmanagement mittels Blockchain längst Realität. Es wird davon ausgegangen, dass die automatische Veröffentlichung, Überwachung und Vergütung
von geistigem Eigentum mittels Blockchains zu deutlichen Kostenersparnissen für die Nutzerinnen und Nutzer des geistigen Eigentums führen würde. Verlage und Firmen, die Urheberrechte und Patente überwachen, würden hingegen eine maßgebliche Einnahmequelle verlieren. Zudem ist zu erwarten, dass Anreize für Open Publishing durch die mit der Verwendung von Blockchain verbundene starke Preissenkung geschaffen werden würden.

Blockchain kann den gesamten Forschungsprozess transparenter machen

In der Forschung setzt sich mehr und mehr die Praxis durch, Fachzeitschriften vorab über die Forschungsfrage, Hypothesen, Design und Analysestrategien eines geplanten Forschungsvorhabens zu informieren. Durch die erhöhte Transparenz sollen problembehaftete Forschungsmethoden wie p-hacking oder die Nichtveröffentlichung von Daten von Grund auf vermieden werden. Dank Blockchains ist dies einfach möglich. Wissenschaftliche Studien können vorab angemeldet werden, ohne dass dafür eine Mittlerinstanz notwendig ist. Die Öffentlichkeit kann so gleichzeitig vollen Zugang zu den Voranmeldedaten bekommen. In diesem Zusammenhang ist die Unveränderbarkeit von Blockchains besonders nützlich. Denn wenn jede Änderung der Studienparameter als neuer Eintrag protokolliert werden muss, wird sichergestellt, dass der gesamte Lebenszyklus eines Forschungsprojekts nachvollzogen werden kann. Die Initiative Blockchain for Science beschäftigt sich mit dem gesamten Forschungsprozess sowie den systemischen Implikationen des Einsatzes von Blockchain-Technologie im Wissenschaftssystem.

Weiterführende Informationen:

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Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem "Open Economics Guide". (Porträt: Copyright

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