Weiterbildungsmarkt für Future Skills: Start-ups bieten Praxisorientierung und Inspiration für Hochschulen
In Deutschland gibt es einen großen Bedarf an Weiterbildungen zu technologischen Future-Skills, der bislang nicht von Hochschulen und traditionellen Weiterbildungsanbietern gedeckt wird. Education-Start-ups nutzen diese Lücke und punkten mit innovativen, praxisorientierten Angeboten. Damit könnten sie auch dazu beitragen, innovative Weiterbildungsformate in Hochschulen zu tragen, wie der aktuelle Hochschul-Bildungs-Report aufzeigt.
von Birgit Fingerle
Der Hochschul-Bildungs-Report 2020, Bericht 2019, wurde im August 2019 vom Stifterverband in Zusammenarbeit mit McKinsey & Company herausgegeben. Ein Fokus lag in diesem Jahr auf dem Thema Weiterbildung.
Der Report zeigt, dass der Weiterbildungsmarkt für Future Skills zunehmend von Education-Start-ups aufgemischt wird. Sie punkten insbesondere mit ihrer hohen Anwendungsorientierung und könnten somit zu Konkurrenten oder aber auch zu Vorbildern für Hochschulen werden.
Start-ups geben bei technologischen Future Skills das Tempo vor
Von den weltweit zehn umsatzstärksten Education-Start-ups bieten acht Weiterbildung zu technologischen Future Skills an. In Deutschland gibt es rund 50 Start-ups, die sich auf Bildung konzentrieren. Zu den Start-ups aus Deutschland, die Weiterbildung zu technologischen Future Skills anbieten, zählen etwa das Online-Angebot CareerFoundry (27.000 Absolventen) und die Code University (230 Studierende), eine neu gedachte Universität mit Präsenzveranstaltungen.
Education-Start-ups besitzen einen großen Einfluss in der Weiterbildungslandschaft, was die Vermittlung von Future Skills betrifft, und weisen bereits beachtliche Teilnehmerzahlen von bis zu zehn Millionen registrierten Lernenden auf. Dass Education-Start-ups Eintrittsbarrieren für neue Anbieter auf dem Weiterbildungsmarkt recht leicht überwinden, liegt neben der Qualität ihrer Angebote vermutlich daran, dass traditionelle Weiterbildungsanbieter und Hochschulen den Bedarf bislang nicht ausreichend abdecken. Von den Angeboten und Geschäftsmodellen der Start-ups könnten Hochschulen viel lernen.
Anwendungsorientierung und niedrige Hemmschwellen
Dadurch zeichnen sich die Education-Start-ups aus:
- Sie ersetzen Präsenzveranstaltungen meist durch Online-Learning; einige setzen allerdings bewusst auf Präsenzformate und folgen dann häufig der Idee des Flipped Classroom.
- Sie können grob in zwei Kategorien eingeteilt werden: Einerseits Start-ups, die sich vorwiegend als Kuratoren betrachten und vorhandene Inhalte einem breiten Publikum zur Verfügung stellen. Ein Beispiel hierfür ist die Plattform Coursera, auf der MOOCs (Massive Open Online Course) verschiedener US-Universitäten angeboten werden. Andererseits Plattformen, die überwiegend eigene Inhalte anbieten. Dies sind beispielsweise US-amerikanische CodingBootcamps, wie General Assembly oder Thinkful.
- Im Gegensatz zu traditionellen Weiterbildungsanbietern, die überwiegend auf formales Training und frontale Wissensvermittlungsformate setzen, nutzen sie vor allem anwendungsorientierte Lernformate mit projektbasierten, aufeinander aufbauenden und individualisierten Lerninhalten, häufig begleitet von Mentoren, Coaches oder Teaching Assistants.
- Education-Start-ups orientieren sich an der Anwendungsrealität ihrer Nutzerinnen und Nutzer, indem sie die Hektik der modernen Lebens-und Arbeitswelt berücksichtigen und flexible, mobile und häppchenweise nutzbare Lerninhalte anbieten.
- Education-Start-ups halten in der Regel die monetäre Hemmschwelle zu Kursbeginn niedrig. Dafür setzen sie auf Freemium-Modelle (Bezahlen nur für Premiuminhalte, wie etwa Prüfung und Zertifizierung), werbefinanzierte Angebote, Abonnements oder die Bezahlung nach tatsächlichem Kurserfolg.
Education-Start-ups als Inspirationsquelle für Hochschulen
Education-Start-ups können auch zu Innovationen in Hochschulen beitragen, wenn diese sie als Inspirationsquelle nutzen, um die universitäre Weiterbildung grundlegend zu überdenken:
- Aufgrund der wachsenden Bedeutung von Weiterbildung ist ein Umdenken in den Hochschulen gefordert. Dazu gehört, dass Weiterbildung als vollwertiges Pendant zur Lehrtätigkeit für die wissenschaftliche Grundausbildung betrachtet werden sollte. Zudem sollten unter anderem Anreizsysteme geschaffen werden, die ein Engagement von Hochschullehrenden bei der wissenschaftlichen Weiterbildung honorieren.
- Ihre umfangreiche Expertise auf dem Gebiet der technologischen Fähigkeiten sollten Hochschulen nutzen, indem sie das universitäre Grundbildungs- und das Weiterbildungsangebot für technologische Future Skills in beträchtlichem Maße ausweiten. Auch fachübergreifende Future Skills, wie Kreativität und Problemlösungsfähigkeit, sollten von den Hochschulen in Curricula integriert werden.
- Durch Kombination anwendungsorientierter Methoden von Education-Start-ups und eine Erweiterung des Angebots an digitalen Inhalten könnten didaktische Innovationen an Hochschulen Einzug halten. So könnten gleichzeitig Ressourcen für die Umsetzung des Flipped-Classroom-Konzepts freigesetzt werden, und Dozenten könnten ihre Rolle in Richtung eines Coaches weiterentwickeln. Dafür wird eine strategische Kooperation von Hochschulen mit Education-Start-ups empfohlen.
Förderung von Start-ups durch Weiterbildungsaufträge aus dem öffentlichen Dienst
Darüber hinaus wird im Hochschul-Bildungs-Report eine Unterstützung von Education-Start-ups von Seiten des Staats vorgeschlagen. Dazu gehört die Berücksichtigung von Education-Start-ups bei der Auftragsvergabe für Weiterbildung im öffentlichen Sektor, dem größten Arbeitgeber in Deutschland. Eine weitere Möglichkeit wäre eine direkte Förderung von Education-Start-ups, die als Reallabore innovativer Lehr- und Lernformate für lebenslanges Lernen betrachtet werden könnten.
Weiterführende Informationen:
- Hochschul-Bildungs-Report 2020, Bericht 2019
- Hochschul-Bildungs-Report 2020
- Future Skills
- MOOCs, Bootcamps, Communities und Events: Programmieren lernen in neuen Formaten.
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