Innovationsworkshop: Wie Bibliotheken Digitalität aktiv gestalten können

von Birgit Fingerle

Der Innovationsworkshop „Digitalität – Wie Bibliotheken aktiv gestalten können“ veranstaltet von der ZBW mit Unterstützung von OCLC fand am 09.04.2019 in der ZBW Hamburg statt.

Die rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden von ZBW-Direktor Prof. Dr. Klaus Tochtermann und Dr. Sebastian Müller, Direktor Sales DACH von OCLC, begrüßt und darauf eingestimmt, dass dieser Tag dem Erarbeiten neuer Ideen, losgelöst von den Schranken und Hindernissen des Alltags, gewidmet sein sollte. Anschließend gab es in drei parallelen Workshop-Sessions inspirierende Vorträge zum Einstieg, regen Austausch und neue Ideen wurden unter Einsatz unterschiedlicher Kreativitätstechniken entwickelt.

Wie kann die Bibliothek im digitalen Zeitalter sichtbar bleiben?

Session 1 trug den Titel „Wie kann die Sichtbarkeit der einzelnen Bibliothek im Zeitalter des vernetzten Arbeitens erreicht werden und welche ergänzenden Nutzungsmöglichkeiten bieten elektronische Lesesäle?“.

Im ersten Vortrag stellten Prof. Dr. Simone Fühles-Ubach und Prof. Dr. Ivonne Preusser (beide TH Köln) die Frage: „Wie erreichen wir Studierende und Wissenschaftler?“ (PDF). Im Anschluss daran berichteten Elisabeth Gasser und Marita Kieser (beide Bibliothek für Volkswirtschaft, Universität Zürich), wie sie in ihrer Bibliothek „Mit einer Printkampagne im analogen Raum auf digitale Dienstleistungen verweisen” (PDF). Der dritte Vortag war den elektronischen Lesesälen gewidmet. „Elektronische Lesesäle – welche ergänzenden Nutzungsmöglichkeiten bieten sie?“ (PDF) fragte Rolf Rasche (ImageWare Components GmbH).

In der sich anschließenden Workshop-Phase zur Erarbeitung innovativer Ideen wurden sechs Kleingruppen gebildet, die sich zunächst über die Zielgruppen von Bibliotheken und ihre unterschiedlichen Bedürfnisse verständigten und darauf aufbauend zahlreiche Ideen generierten. Zu den Ideen gehörten beispielsweise Piktogramme (statt viel Text) für Sichtbarkeit zu nutzen ebenso wie Ideen für die Gestaltung elektronischer Leseplätze.

Mit Hilfe der im Workshop entwickelten Persona „Oskar“ wurde beispielsweise der „LibMatch“-Service erdacht: Ein Chatbot gleicht Profile der Bibliothekarinnen und Bibliothekare mit der Nutzerin oder dem Nutzer ab und führt diese per Matching zusammen. Er hilft, Hemmschwellen bei der Bibliotheksnutzung abzubauen, weil über ihn ein erstes Kennenlernen der Bibliothek ermöglicht wird. Dies mündet darin, dass „Oskar“ und „seine“ Bibliothekarin sich vor Ort in der Bibliothek treffen und er seine persönliche „Partnerin“ zur Unterstützung bei der Nutzung der Bibliotheksservices hat. Für die Realisierung der Idee könnten Umsetzungspartner innerhalb der jeweiligen Universität gesucht werden: Personen aus der Informatik für die Programmierung, aus der Wirtschaftswissenschaft für das Marketing und so weiter. So wird die Bibliothek zugleich während der Umsetzung der Idee innerhalb der Universität sichtbarer.

Welche genuin digitalen Services wird es geben?

Die Frage „Welche neuen genuin digitalen Dienste wird es geben?“ war Session 2 übergeordnet. Da bei der Entwicklung neuer Services die Wünsche und Anforderungen von Nutzerinnen und Nutzern im Zentrum stehen, ging Nicole Clasen (ZBW) auf Möglichkeiten ein, wie diese kennengelernt werden können: „Jetzt lernst du mich richtig kennen – Nutzerbefragung mal anders mit dem User-Experience-Baukasten der ZBW” (PDF). Kreativität und Spaß stehen bei diesen Methoden im Mittelpunkt.

„Die Services Datenbeschaffung und Datenveröffentlichung“ wurden im zweiten Vortrag der Session als neue digitale Dienste des WZB von Mathis Fräßdorf (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung) vorgestellt. Prof. Dr. Ragna Seidler-de Alwis und Prof. Dr. Simone Fühles-Ubach (beide TH Köln) widmeten ihren Vortrag dem dazugehörigen Berufsbild: „Der Data Librarian als Antwort auf Veränderungen in wissenschaftlichen Bibliotheken“ und stellten den entsprechenden neuen Studiengang an der TH Köln vor.

In der Kreativphase der Session wurden von zahlreich generierten Ideen drei ausführlich ausgearbeitet:

  • Beyond discovery: Mit dem Wunsch, das Discovery-System der Bibliothek zu einem One-Stop-Shop auszubauen, wurden zahlreiche Möglichkeiten dafür erdacht, für die Nutzenden die notwendigen Schritte für eine effiziente Informationsbeschaffung an einer einzigen Stelle zusammenzuführen.
  • Analoge Räume – digitale Dienste: Diese beiden auf den ersten Blick widersprüchlichen Dinge zu vereinen, diesem Ziel haben sich die Teilnehmenden mit viel Kreativität angenommen, wie das Foto zeigt.
  • Publikationsunterstützung in Word, – Digital – einfach bequem: Unter diesem Motto haben sich die Teilnehmenden ein innovatives Plugin in Word erträumt, das alle möglichen vorhandenen und noch nicht vorhandenen Features vereinen soll. So soll der Publikationsprozess mit allem Drum und Dran – von der Texteingabe bis zur Veröffentlichung des Werkes –automatisiert werden, Rechercheprozesse und zum Beispiel Plagiatsprüfung eingeschlossen.

Wie können Bibliotheken von Openness profitieren – und selbst offener werden?

Session 3 widmete sich dem Thema: „Welche aktuellen Perspektiven und Chancen bietet Openness den Bibliotheken?“ Dabei ging es unter anderem darum, wie die KIT-Bibliothek Open Access als Chance für sich nutzt. Dies berichtete Regine Tobias in ihrem Vortrag „Open Access für Jedermann und Jedefrau: Innovative Ansätze rund um das Publikationsmanagement an der KIT-Bibliothek“ (PDF). Um Erfahrungen beim Einsatz von Open Source ging es bei Michael Luetgen (von der Firma Zeutschel) im Vortrag „Digitalisierungsunterstützung mit Open Source am Beispiel von Kitodo – Betriebsmodelle” (PDF). Die vorläufigen Ergebnisse einer internationalen Umfrage zum Thema „Open Content in bibliothekarischer Praxis“ (PDF) stellte Dr. Annette Dortmund (OCLC) vor. Im vierten und letzten Vortrag der Session ging Dr. Jens Mittelbach (SLUB Dresden) auf „Openness als strategisches und operatives Handlungs¬feld für Bibliotheken“ (PDF) ein.

Im anschließenden Austausch innerhalb der Session wurden Aspekte und Perspektiven von Openness für Bibliotheken diskutiert. Hier wurde unter anderem deutlich, dass Bibliotheken als Akteure im Themenbereich Openness voranschreiten müssen, indem sie ihre eigene Offenheit entwickeln. Hierfür müssten sie sich beispielsweise selbst hin zu Labs entwickeln und in die eigene Personal- und Organisationsentwicklung investieren.

Im Anschluss daran wurden in einer Kreativrunde zahlreiche Ideen generiert, wie Bibliotheken die Chancen von Openness noch stärker nutzen könnten und wie sie selbst noch offener werden könnten. Als am wichtigsten bewerteten die Teilnehmenden der Session dabei

  • Ideen rund um die Schaffung von Räumen, die Openness fördern,
  • Ideen rund um Vernetzungsaspekte von Bibliotheken auch mit anderen Playern,
  • sowie insbesondere Ideen, die bei der internen Kultur ansetzen.

In der Entwicklung der internen Kultur wurde ein besonders großer Hebel zur Förderung von Openness in Bibliotheken und zum Ausschöpfen der Chancen von Openness gesehen.

Die Ideen weiter spinnen und den innovativen Geist mitnehmen

Zum Abschluss des Workshoptags fand eine gemeinsame Ergebnispräsentation aller drei Sessions vor vielen zufriedenen Gesichtern statt. Dabei war von vielen Seiten ein starkes Interesse zu verspüren, weiter an den generierten Ideen zu arbeiten und eine Umsetzung anzustreben. In ihren Schlussworten kündigten Prof. Dr. Klaus Tochtermann (ZBW) und Dr. Sebastian Müller (OCLC) Planungen für eine Fortführung des Formats an. Die Workshopergebnisse sollen zudem beim nächsten Bibliotheksleitertag von OCLC vorgestellt werden.

In ihren Schlussworten wiesen beide darauf hin, dass es vieles aus den Präsentationen bereits als Einzellösungen gebe. Die interessanten erarbeiteten Ideen seien nun jeweils sinnvoll zu einem Ganzen zu integrieren. Dies umzusetzen werde wahnsinnig komplex, sagte Prof. Dr. Klaus Tochtermann, und nannte einen weiteren Nutzen des Workshops: Das innovative Denken aus dem Workshop-Tag mitzunehmen und in die einzelnen Bibliotheken zu tragen.

Diesen Blogpost teilen:

Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem "Open Economics Guide". (Porträt: Copyright

Virtual Reality vor dem Durchbruch: Welche Anwendungspotentiale gibt es? NMC Horizon Report 2017 Library Edition: Digital Citizenship fördern MOOCs: One size fits all?

View Comments

EconBiz Academic Career Kit: Mit OER die Open Science Skills verbessern
Nächster Blogpost