Neue Open Science Reports: Wie man EOSC und FAIR in die Praxis umsetzt

von Birgit Fingerle

Zwei kürzlich veröffentlichte Reports geben umfangreiche Informationen für die praktische Umsetzung von Open Science in Europa. Beide Expertengruppen und ihre Berichte ergänzen sich gegenseitig. Auf der einen Seite wird FAIR die European Open Science Cloud (EOSC) unterstützen. Auf der anderen Seite werden die Föderation der Dateninfrastruktur und die Anwendung von Standards das Finden und die Interoperabilität von Daten ermöglichen.

Der erste ist zugleich der Abschlussbericht und enthält die Empfehlungen der 2nd High Level Expert Group der Kommission zur European Open Science Cloud (EOSC): “Prompting an EOSC in practice”.

Report: “Prompting an EOSC in practice”

Die 2nd High Level Expert Group der Kommission zur European Open Science Cloud (EOSC) befasst sich damit, die EOSC zu einem tragfähigen Ökosystem zu machen, und konzentriert sich auf zwei entscheidende Aspekte: Steuerung und Finanzierung der EOSC. ZBW-Direktor Prof. Dr. Klaus Tochtermann war Mitglied dieser Expertengruppe.

Der Report legt die Rollen der verschiedenen Interessengruppen und die Herausforderungen, die es zu lösen gilt, dar. Einerseits werden Synergien zwischen den drei Beratungsgremien der Europäischen Kommission OSPP, der FAIR Data Expert Group und der High Level Expert Group zur European Open Science Cloud (EOSC) untersucht und ein Überblick über verwandte Initiativen und Aktivitäten gegeben. Andererseits identifiziert der Bericht die beteiligten Anspruchsgruppen, zum Beispiel europäische Forscherinnen und Forscher, Softwareentwickler/Dienstleister und Infrastrukturmanagerinnen und -manager und ihre Rollen.

Herausforderungen, die es zu lösen gilt

Die HLEG hat mehrere Herausforderungen identifiziert, die es zu bewältigen gilt. Bevor ein Compliance-Rahmen für die EOSC definiert wird, sollten diese Herausforderungen angegangen werden:

  • die Integration von und den Zugang zu Ressourcen zu ermöglichen, die in der EOSC zusammengeführt werden
  • die grenzüberschreitende und disziplinübergreifende Forschungszusammenarbeit

Darüber hinaus wurden von der HLEG eine Reihe langfristiger Herausforderungen identifiziert, darunter sind:

  • Beteiligung des Privatsektors an der EOSC
  • Entwicklung von Personalkapazitäten für Open Science
  • Weiterentwicklung von Beschaffungsmodellen für die Bereitstellung der EOSC
  • neue Technologien und zentrale Bedürfnisse (zum Beispiel Blockchain, ethische KI)
  • Herausforderungen, die sich auf FAIRe Daten beziehen

Der Report enthält Empfehlungen für die Umsetzung, für die Förderung des Engagements und die Steuerung. Zu ihnen gehört die Umsetzungsempfehlung, Standards und von der Community anerkannte bewährte Verfahren auszuwählen, um die Interoperabilität und Zusammensetzbarkeit von EOSC-Diensten und -Ressourcen zu gewährleisten, sowie die Förderung und Durchsetzung ihrer Einführung in den Forschungscommunities unter Nutzung bestehender internationaler Initiativen und Kooperationen.

EOSC-Geschäftsmodell und Minimum Viable Ecosystem

Der Bericht untersucht eingehend, wie die EOSC zu einem tragfähigen Ökosystem werden kann. Da die Entwicklung der EOSC in einer sehr heterogenen Landschaft stattfinden wird, scheint ein kleinster gemeinsamer Nenner, ein minimal tragfähiges Ökosystem (Mimimum Viable Ecosystem – MVE), für den Aufbau des EOSC hilfreich zu sein. Der Bericht enthält eine Liste von Features, die das MVE aufweisen sollte.

Das EOSC-Geschäftsmodell füllt einen weiteren wesentlichen Teil des Reports, da es ein entscheidendes Element für den Erfolg der EOSC ist.

“Given the dispersed nature of scientific research and the variety of tools and processes required by scientists in different fields and locations, a federated environment requires a similarly decentralised business model to support the technical environment that will be developed.”
– Prompting an EOSC in Practice

Der Report widmet sich den Themen Steuerung, Transparenz und Verantwortlichkeiten. Hinsichtlich des Finanzierungsmodells und der Zahlungsmechanismen enthält er einen Vergleich von drei Hauptoptionen, einschließlich neuartiger Ideen: das herkömmliche Finanzierungsmodell der “direkten Unterstützung”, ein reines EOSC-Gutscheinmodell und ein Hybridmodell, bei dem einige Ressourcen durch direkte Finanzierung unterstützt werden und andere Ressourcen über Cloud Coins abgerufen werden.

Was die Regeln für die Beteiligung betrifft, können die FAIR-Grundsätze (Findability, Accessibility, Interoperability, Re-Usability) auf verschiedene Teile des EOSC MVE abgebildet werden. Der Report listet auch Eignungskriterien für die Daten- und Dienstleistungsanbieter sowie für die beteiligten Nutzerinnen und Nutzer auf, um sicherzustellen, dass die Daten der Zielsetzung, insbesondere den FAIR-Richtlinien, entsprechen, und um eine EOSC zu schaffen, die eine angemessene Größe hat und den Datenaustausch und die Wiederverwendung in der Praxis erhöht.

Report: “Turning FAIR into reality”

Der zweite Report trägt den Titel “Turning fair into reality”. Er ist der endgültige Bericht und Aktionsplan der Expertengruppe für FAIR-Data der Europäischen Kommission.

Die FAIR Data Expert Group hat sich intensiv mit den FAIR-Datenprinzipien beschäftigt und Empfehlungen für deren Umsetzung formuliert. Der Report konzentriert sich hauptsächlich auf kulturelle Veränderungen, Anreize und Metriken sowie die Fähigkeiten und Kapazitäten, die erforderlich sind, um FAIR-Daten in die Tat umzusetzen. Er ist sowohl ein Bericht als auch ein Aktionsplan. Unter den Schlussfolgerungen und prioritären Empfehlungen finden sich unter anderem die folgenden: FAIRe digitale Objekte sind eine Voraussetzung für die Umsetzung von FAIR. Diese digitalen Objekte können Daten, Software oder andere Forschungsressourcen darstellen und müssen beispielsweise von persistenten Identifiern, Metadaten und kontextbezogenen Dokumentationen begleitet werden, um ihre Auffindung, Zitierung und Wiederverwendung zu ermöglichen. Ein FAIRes Ökosystem wird benötigt, das zentrale Datendienste umfasst, die FAIR unterstützen.

Um FAIR über Disziplingrenzen hinweg zu unterstützen, spielen Frameworks für Interoperabilität eine zentrale Rolle. Sie definieren Praktiken von Communities für den Datenaustausch, Datenformate, Metadatenstandards, Tools und Infrastrukturen und erkennen die Ziele und Kulturen der verschiedenen Forschungscommunities an. Auf diese Weise helfen sie, Silos aufzubrechen. Auch Forschungsabläufe und Datenmanagementpläne müssen FAIR gemacht werden. Die Bemühungen um die Entwicklung von Standards und Infrastrukturen bei der Umsetzung des FAIR-Ökosystems über die EOSC müssen koordiniert werden. Dabei spielen internationale und multidisziplinäre Datenorganisationen eine wichtige Rolle.

Kompetenzentwicklung und Professionalisierung von Rollen

Damit Daten FAIR werden, ist eine erhebliche und weitreichende Erweiterung der Kompetenzen für Data Science und Datenhaltung erforderlich. Das bedeutet zum Beispiel die Professionalisierung von Rollen und Lehrplänen. Forschungsteams sollten Datenexpertinnen oder -experten umfassen oder von ihnen unterstützt werden. Darüber hinaus wäre eine Zertifizierung von FAIRen Services in Verbindung mit einer Verpflichtung zu langfristiger Bereitstellung und nachhaltiger Finanzierung hilfreich.

Die derzeitige Abhängigkeit der Karriereentwicklung von Forschenden von Metriken, die sich auf akademische Veröffentlichungen beziehen, bestraft Forschende, die Zeit und Fachwissen für die Datenpflege und ähnliche Aktivitäten aufwenden. Aus diesem Grund scheint die Entwicklung von Metriken der nächsten Generation, die verantwortungsbewusst zur Unterstützung von Open Science eingesetzt werden, notwendig zu sein. Darüber hinaus müssen Metriken und Indikatoren für Forschungsbeiträge über die Ebene der einzelnen Forschenden hinaus genauer betrachtet werden, um sicherzustellen, dass sie den kulturellen Wandel zu Open Science und FAIR fördern. Die strategische Planung von Infrastrukturinvestitionen und die Rolle von Forschungseinrichtungen müssen ebenfalls analysiert werden, um Daten FAIR zu machen.

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Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem "Open Economics Guide". (Porträt: Copyright

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