Fake Science im Selbstversuch: Die Tricks der Predatory Journals
Wie arbeiten Predatory Journals und wie funktioniert es, hier eine Publikation zu platzieren? Eine Forschergruppe aus der ZBW hat dies im Selbstversuch getestet und berichtet von ihren Erfahrungen.
von Athanasios Mazarakis, Kaltrina Nuredini und Isabella Peters
Im Sommer wurde in der ARD der Beitrag „Fake Science – Die Lügenmacher“ ausgestrahlt und hinterließ in der Wissenschaftscommunity einen nachhaltigen Eindruck. Bereits zuvor hatte Dr. Athanasios Mazarakis eine der unzähligen Einladungen für Publikationen erhalten:
Journalpublikation innerhalb von einer Woche?
Eine Woche für eine Journalpublikation. Wäre dies nicht traumhaft? Oder eher ein Albtraum? Prof. Isabella Peters und Dr. Athanasios Mazarakis haben überlegt und gesagt: Wir probieren dies aus!
Gesagt, getan. Schnell wurde ein Paper mit dem Paper Generator SCIgen fabriziert. Noch ein paar kosmetische Änderungen und fertig war es: Decoupling IPv7 from the Transistor in Operating Systems.
Ein wahres Meisterwerk! Nun hieß es warten. Dieses Vorgehen, wie wir es hier beschreiben, ist schon einige Male erfolgreich repliziert worden (Simpson et al., 2014 (PDF); Stribling et al. , 2015 (PDF); Mazières et al., 2015 (PDF) ). Aber ob es wirklich so einfach funktioniert, wie im Fernsehen gesehen? Ist das Wissenschaftssystem wirklich durch irrelevante Journalpublikationen in Gefahr? Einen Tag später kam die Eingangsbestätigung:
Wie ein Sechser im Lotto: Publikation ohne Revision
Die Antwort war zwar nicht sehr vertrauenserweckend, aber wir wollten ja sehen, wohin es uns führt. Die Wartezeit war dann auch nicht lang. Fünf Tage später kam die folgende freudige Nachricht:
Normalerweise ist eine Journalpublikation ohne Revision wie ein 6er im Lotto. Aber hier? Ohne irgendein relevantes Review? Man muss eventuellen Reviewern zugutehalten, dass sie vielleicht in dem Thema nicht ganz firm sind. Und vielleicht ist ja das Paper, das wir automatisch generiert haben, doch relevant? Also haben wir es nochmals reviewen lassen: Von den Doktorandinnen und Doktoranden der Arbeitsgruppe Web Science, ohne Ihnen zu verraten, dass es ein Fake Paper ist. Für diese Aufgabe hatten sie eine Woche Zeit. Würden sie dem Schwindel auf die Schliche kommen?
Der Schwindel fällt schon bei oberflächlichem Lesen auf
Selbst bei nur oberflächlichem Lesen ist klar, dass es sich um einen inhaltsleeren Artikel handelt. Dies haben auch alle Doktorandinnen und Doktoranden sofort gesehen. Eine Doktorandin, Kaltrina Nuredini, führte sogar ein sehr gewissenhaftes und sorgfältiges Review durch, das mehrere Seiten umfasst. Hier ihre Hauptkritikpunkte, die jeder Reviewer hätte erkennen müssen:
- Es gibt viele Grammatik- und Rechtschreibfehler.
- Die Struktur des Artikels erscheint zwar typisch für einen wissenschaftlichen Artikel, aber es gibt keinen roten Faden und alles wird nur oberflächlich abgehandelt.
- Der Inhalt ist nicht stimmig.
- Keine der Quellen im Literaturverzeichnis ist auffindbar.
- Das Journal gibt einen hohen h-Index auf Journalniveau an, gibt aber nicht die Kalkulationsformel bekannt, so dass dies kein Qualitätsmerkmal ist.
Dies ist wahrlich nicht zu schwer und eigentlich das 1×1 für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Wir wollten es nun aber auf die Spitze treiben und eine kostenlose Publikation erreichen. Denn von 150 Dollar war vorher nicht die Rede. Am 27. August haben wir nach mehreren Nachfragen schließlich folgende Antwort erhalten:
Direkt danach kam auch gleich die Rechnung. Da wären 75 Dollar in ein Rechtschreibprogramm sicherlich eine gute Investition. Wir beendeten an dieser Stelle unser Experiment. Allerdings nicht ohne festzustellen, dass gesunder Menschenverstand (Review in einer Woche?) und akademisches Misstrauen in diesem Fall vollkommen ausreichen, um nicht auf so ein Journal hereinzufallen und somit eine eigentlich „richtige“ Publikation beziehungsweise eine Einreichung dafür zu verhindern. Auch die sehr unprofessionellen Anschreiben (kein Ansprechpartner wird genannt, gmail Adressen und so weiter) weisen auf kein seriöses Journal hin. Es ist traurig, dass die Berichte aus dem Fernsehen keine Ausnahmen zu sein scheinen, sondern durchaus alltägliche Realität.
Predatory Journals: Wie kann man sie erkennen?
In dem hier betrachteten Fall wirkte die gesamte Kommunikation des Journals recht dilettantisch. Bei anderen Predatory Journals mag dies anders aussehen, so dass es hier schwieriger ist, den Betrug zu erkennen. Fehlende beziehungsweise unprofessionell und lieblos gemachte Peer-Reviews stellen hier das finale Warnsignal dar.
Wie können ehrliche, und insbesondere unerfahrene Forscherinnen und Forscher davor geschützt werden, dass sie auf unseriöse Journals hereinfallen? Neben den Betreuerinnen und Betreuern von Doktorandinnen und Doktoranden sind hier auch Bibliotheken gefordert. Was können sie dazu beitragen, um Orientierung zu bieten?
Bibliotheken können hierzu informieren und beraten. Im Nachgang der Welle, die aufgrund der TV-Berichte über Predatory Journals entstand, hat sich einiges getan. So bieten etwas die ZB MED und die ZBW Checklisten und Handreichungen zu dem Thema an. Von den Universitätsbibliotheken bieten unter anderem die Universitätsbibliothek der TU München, die Saarländische Universitäts- und Landesbibliothek und die Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin Informationsseiten zu Predatory Journals an. Kürzlich wurde zudem von Seiten der Leibniz-Gemeinschaft eine Handreichung dazu veröffentlicht.
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