Horizon Report 2018: Wie sich Hochschulen an die Zukunft der Arbeit anpassen

Der neue NMC Horizon Report 2018 Higher Education Edition wurde am 16. August 2018 von Educause veröffentlicht. Damit ist der Verlag also neu, aber die Struktur des Berichts ist die gleiche wie in den früheren Ausgaben geblieben. Der Report gliedert sich in drei Kategorien: Trends, die die Technologieeinführung beschleunigen, Herausforderungen, die die Technologieeinführung behindern, und wichtige technologische Entwicklungen im Hochschulbereich. Jeder dieser Kategorien sind sechs Themen zugeordnet. Die Kategorien werden nach unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden oder nach kurz-, mittel- und langfristigem Horizont unterteilt.

In unserem Blogbeitrag heben wir die Themen hervor, die für die Open-Science-Bewegung und für Bibliotheken am wichtigsten erscheinen.

Open Educational Resources auf dem Vormarsch

Die Zunahme von Open Educational Resources wird im Bericht als mittelfristiger Trend für die nächsten drei bis fünf Jahre genannt. Die Einbettung in die Strategien der Hochschulinstitutionen kann eine breite Akzeptanz von OER unterstützen. Der Bericht zitiert das Beispiel einiger in den USA ansässiger Institutionen, die als neue Option Hochschulabschlüsse mit “Null Lehrbuchkosten” eingeführt haben, wie das Tidewater Community College. Vier Jahre nach dem Start des Programms hat es 10.200 Studentinnen und Studenten unterstützt und Lehrbuchkosten von mehr als einer Million Dollar eingespart. Zudem war die Abbruchquote niedriger und die Studierenden erreichten im Durchschnitt bessere Noten als sonst.

Mehr interdisziplinäres Arbeiten und neue Lern- und Kooperationsräume

Zu den mittelfristigen Trends gehört der “Aufstieg neuer Formen des interdisziplinären Forschens und Studierens”, der im Widerspruch zu der langjährigen Tradition wissenschaftlicher Spezialisierung steht. Die innovative Anwendung von Open Source Tools, Datenstrukturen und Visualisierungen helfen Forschenden sowie Entwicklerinnen und Entwicklern akademischer Technologien, den Boden für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zu bereiten.

Das Redesign von Lernumgebungen gehört zu den kurzfristigen Trends. So fördert der Abbau räumlicher Barrieren zwischen Lernenden und Lehrenden aktives Lernen; Flexibilität und Offenheit fördern die Entwicklung einer Lerngemeinschaft. Solche Faktoren werden zunehmend genutzt, um Lernräume für projektbezogene Interaktionen zu optimieren. Darüber hinaus wird die digitale Zusammenarbeit durch die Erweiterung von WLAN-Bandbreiten, die Installation großer Displays und die Erprobung von Mixed-Reality-Technologien unterstützt.

Makerspaces passen zu diesem Trend. In dem Report sind sie unter den wichtigen Technologien mit kurzfristigem Zeithorizont zu finden. Makerspaces sind Erlebniswelten, die das praktische Lernen und die Entwicklung von Fähigkeiten wie Zusammenarbeit, Innovation und Problemlösung fördern, die für zukünftige Arbeitskräfte wichtig sind. Darüber hinaus dienen akademische Makerspaces einem wichtigen, stark demokratischen Forschungszweck. Einige Hochschulen, wie die University of Washington, haben Richtlinien für den Bau von Makerspaces erstellt – mit Empfehlungen zu Werkzeugen, Ausrüstung und Raumkonfiguration.

Andere Institutionen, wie zum Beispiel die University of Calgary, bieten pädagogische Ressourcen für Maker sowie Auswahlkriterien für Materialien und Projektideen an .


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Hochschulen betrachten ihre Bibliotheken immer mehr als einen Raum, der Kreativität und Zusammenarbeit fördert. Daher ist die Einrichtung von Makerspaces in Universitätsbibliotheken ein logischer Schritt.

Förderung von digitaler Gerechtigkeit und digitaler Kompetenz

Ein Mangel an digitaler Gerechtigkeit infolge langsamer Internetverbindungen und eines ungleich verteilten Zugangs zu Technologien, beispielsweise aufgrund des Geschlechts oder des wirtschaftlichen Status, ist eine schwierige Herausforderung. Denn sie behindert den Fortschritt bei der Nutzung von Bildungstechnologien. Beispielsweise ist der schnelle Internetzugang für Massive Open Online Courses (MOOCs) und OER entscheidend. Teil dieser Herausforderung ist auch die Implementierung der Tools und das Verständnis für den Einsatz der Tools.

“For learning tools to be effective, educators must have access to adequate and ongoing training and professional development—before instructors can help students navigate tools for consumption and creation, they must be digitally fluent themselves. The time and financial commitments for these opportunities pose roadblocks for many institutions.”
– NMC Horizon Report 2018 Higher Education Edition

Die Verbesserung der digitalen Kompetenz ist eine damit verbundene Herausforderung. Praktiken und technologische Fähigkeiten, die heute für den Erfolg am Arbeitsplatz und als Bürgerin oder Bürger entscheidend sind, sind Teil eines erweiterten Konzepts der digitalen Kompetenz, das von einigen Bibliotheken seit kurzer Zeit genutzt wird. Der Bericht enthält Beispiele wie von den Virginia Tech University Libraries, die einen Rahmenplan für die digitale Kompetenz geschaffen haben, sowie von den Programmen anderer Universitätsbibliotheken zur digitalen Kompetenz.

Technologien wie künstliche Intelligenz (Umsetzungshorizont: zwei bis drei Jahre), Mixed Reality und Robotik (Umsetzungshorizont: jeweils vier bis fünf Jahre) haben für Hochschulen eine doppelte Bedeutung: Einerseits können sie sich positiv auf den Service für Studierende auswirken. Andererseits sind sie selbst Thema beim Training digitaler Kompetenzen für Forschende und Studierende, die sich auf den zukünftigen Arbeitsplatz vorbereiten wollen.

Anpassung an die Zukunft der Arbeit

Das Berücksichtigen und Verändern der Hochschulen durch Anpassung der Organisationsgestaltung an die Zukunft der Arbeit wird als schwierige Herausforderung betrachtet. Die traditionelle Struktur und Hierarchie der Hochschulbildung wird durch das Internet in Frage gestellt.

“Technology, shifting information demands, and evolving faculty roles are forcing institutions to rethink the traditional functional hierarchy. Institutions must adopt more flexible, team-based, matrixed structures to remain innovative and responsive to campus and stakeholder needs.”
– NMC Horizon Report 2018 Higher Education Edition

Hochschulinstitutionen suchen nach neuen Möglichkeiten, um weit entfernte und interdisziplinäre Fakultätsmitglieder zu integrieren. Darüber hinaus gibt es eine neue Vielfalt an Lehr- und Lernmodellen sowie Medien, und lebenslanges Lernen ist zu einem wichtigen Thema geworden.

Auf der anderen Seite überdenken Hochschulen und Universitäten ihre Anstellungsprogramme und richten damit ihre Organisationen an der Zukunft der Arbeit aus. So fördert die University of British Columbia nun die Schaffung und Nutzung von OER in ihrem überarbeiteten „Promotion and Tenure Guide“ und bietet eine formelle Anerkennung für die Teilnahme an OER-Aktivitäten.

Entwicklung der Rolle der Lehrkräfte

In einer sich wandelnden Arbeitswelt ist auch ein “Umdenken zur Rolle der Lehrkräfte” erforderlich, das als verzwickte Herausforderung angesehen wird. Von den Dozentinnen und Dozenten wird zunehmend erwartet, dass sie eine Vielzahl von technologiebasierten Tools verstehen und einsetzen, sowie dass sie für ihre Studierenden über Textnachrichten, Instant Messaging, Social Media und vieles mehr immer besser erreichbar sind. Darüber hinaus wird von ihnen erwartet, dass sie eine Vielzahl von Lehrformaten einsetzen, darunter Face-to-Face-, Blended-, Flipped- und Online-Lernen, und dass sie als Begleiter und Moderatorinnen fungieren, die ihren Studierenden helfen, wertvolle berufliche Fähigkeiten, wie kritisches Denken, zu entwickeln. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Verantwortlichkeiten und Rollen der Lehrkräfte zu überdenken.

Kräfte bündeln und Innovationskulturen fördern

Um die im Bericht aufgeführten Herausforderungen zu bewältigen, werden die beiden langfristigen Trends, die die Einführung von EdTech in der Hochschulbildung vorantreiben sollen, einerseits hilfreich sein und andererseits selbst zu einer Herausforderung werden. Der erste ist die Förderung von Innovationskulturen, der die Institutionen zwingt, ihre institutionelle Struktur zu bewerten und zu verändern, um somit Innovationshemmnisse zu beseitigen und mit externen Entwicklungen Schritt zu halten. Der zweite ist die institutions- und sektorübergreifende Zusammenarbeit. Institutionen, die zum Beispiel ihre Ressourcen in einer Partnerschaft bündeln, können so eine breitere Palette von Dienstleistungen anbieten oder mehr Forschungsergebnisse anstreben.

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Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem "Open Economics Guide". (Porträt: Copyright

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