Digitale Collaboration: Tipps für kollegiales Arbeiten in fünf Zeitzonen

von Yvonne Tunnat

Nur wenige Menschen sind weltweit mit Digitaler Langzeitarchivierung beschäftigt und noch weniger Menschen mit dem Spezialthema Dateiformate für die Langzeitarchivierung. Vier meiner Arbeitsgruppen erstrecken sich auf fünf Zeitzonen. Raum und Zeit machen das Zusammenarbeiten oft sehr schwierig, doch der enge inhaltliche Austausch bringt die Arbeit sehr voran. Seit 2011 bin ich an der ZBW für die Digitale Langzeitarchivierung beschäftigt und die Welt wurde seitdem immer kleiner. Kolleginnen und Kollegen aus Kalifornien, Australien und Neuseeland stehen mir dadurch fachlich oft näher als meine Kollegen und Kolleginnen im Hause. Sie beschäftigen sich mit denselben Problemen, wissen Antwort und stehen mit Rat und Tat zur Seite.

Weltweite Arbeitsgruppen erschweren die Organisation

Ich arbeite in mittlerweile in vier Arbeitsgruppen mit Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Kontinenten zusammen, die sich alle regelmäßig treffen und austauschen möchten. Der Raum lässt sich zumindest bei Telefon- und Webkonferenzen leicht überbrücken. Ganz anders sieht es mit der Zeit aus. Innerhalb von Europa ist es gut machbar, sofern man Randzeiten vermeidet, da beispielsweise Großbritannien eine Stunde hinterherhängt und Estland eine Stunde weiter ist. Sobald Kolleginnen oder Kollegen von der US-Ostküste involviert sind, werden Termine nur noch am späten Nachmittag möglich. Doch zwei der Arbeitsgruppen sind noch breiter gestreut:

  • Kalifornien (9 Stunden nach uns)
  • Utah (8 Stunden nach uns)
  • Australien (8 Stunden voraus)
  • Neuseeland (10 Stunden voraus)

Telefonkonferenzen finden abwechselnd für uns am frühen Morgen oder am recht späten Abend statt. Telefonkonferenzen um 23 Uhr westamerikanerischer und 6 Uhr neuseeländischer Zeit haben auch schon stattgefunden.

Persönliche Treffen verstärken den Kontakt

Persönliche Treffen werden einmal pro Jahr organisiert. Damit es für alle fair ist, finden diese nicht auf dem gleichen Kontinent statt. Während sie schon mehrfach in Europa stattfanden, waren auch schon einmal Jerusalem und dreimal die USA (2x New York und 1x Kalifornien) dran. Im nächsten Jahr findet es dann „endlich“ in Australien statt. Da eine Dienstreise nach Kalifornien für die allermeisten Teilnehmenden nicht einfach machbar war, wurde die gesamte Konferenz aufgenommen und das meiste davon live übertragen. Für mich ergab sich die Gelegenheit meine Präsentation um 21 Uhr vom heimischen Rechner aus zu halten.

Hack Days – Detailarbeit an Tools und Dateiformaten

Circa zweimal im Jahr finden außerdem „Hack Days“ statt, bei denen es richtig ins Detail bei Dateiformatfragen und deren Tools geht. Da diese für Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus aller Welt offen sind, dauern die Hack Days in der Regel 24 Stunden. Dabei finden im Abstand von vier Stunden Treffen via Web statt, sodass alle die Möglichkeit haben, an mindestens einem oder zwei Treffen während der regulären Arbeitszeit teilzunehmen.

Für den täglichen Austausch nutzen wir nicht nur E-Mails, sondern auch das Confluence Wiki und Basecamp, für Konferenzen wird in der Regel WebbEx genutzt.

Vorteile der internationalen Community – und ihre Hürden

Der Vorteil dieser internationalen Zusammenarbeit ist für mich, dass ich für jedes Spezialthema die passende Ansprechpartnerin oder den passenden Ansprechpartner kenne – und zwar normalerweise tatsächlich persönlich und nicht nur via E-Mail. Ebenfalls vorteilhaft ist, dass die intensive Vernetzung hilft, fachlich sehr gut voranzukommen und wir nicht alle ständig das Rad neu erfinden müssen. Wir wissen voneinander, was wir machen, woran wir arbeiten und was schon versucht worden ist. Der enge fachliche Austausch sorgt für Effizienz und vermeidet Doppelarbeit. So können wir deutlich mehr Workflows und Herangehensweisen kennenlernen als es möglich wäre, wenn wir uns nur im eigenen Land bewegen würden.

Nachteilig empfinde ich den Zeitunterschied. Es ist für mich kein Problem, um 7 Uhr schon am Rechner zu sitzen, aber alles nach 20 Uhr empfinde ich als anstrengend. Damit es fair bleibt, mache ich es trotzdem, versuche aber Zusatzaufgaben wie Protokoll führen eher für morgendliche Sitzungen anzubieten. Reisen sind auch eher anstrengend. Aufgrund von Schwierigkeiten mit Zügen oder Flughäfen bin ich leider auch nicht überall angekommen, wo ich gern hätte hinreisen wollen. Ausschließlich via Webverbindung an einer Konferenz teilzunehmen ist meiner Meinung nach absolut nicht gleichwertig und selbst bei großer Mühe ist höchstens dem Vortrag, aber ganz sicher nicht der anschließenden Diskussion einfach zu folgen.

Erfolgsfaktoren der digitalen Kollaboration

Man braucht Vertrauen darauf, dass alle ihren Teil zu den Arbeitsgruppen leisten. Denn aus der Ferne lässt sich dies nicht immer gut beurteilen und erst recht nicht kontrollieren. Durch die Abhängigkeit von der Zuarbeit anderer, können sich Meilensteine nach hinten ziehen. In den Jahren 2012-2015 haben wir in erster Linie via E-Mail an gemeinsamen Positionspapieren gearbeitet. Das hat dann oft länger gedauert als notwendig. Das jetzige System mit den kleinen Arbeitsgruppen und den vierteljährlichen Meetings funktioniert besser und ist verbindlicher.

Der Schlüssel zur erfolgreichen Zusammenarbeit über mehrere Zeitzonen hinweg ist meiner Meinung nach, dass alle mal ihre Komfortzone verlassen. Wir arbeiten eben auch mal nach 20 Uhr. Jeder hostet mal die jährliche Konferenz. Die Europäer reisen auch mal nach Australien. Jeder gibt sein Wissen auch mal via Webinar weiter. So ist es für alle hin und wieder ungemütlich – aber eben auch für alle machbar.

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