Wissenschaftliche Zeitschriften: Wie Open Access, Peer Review & Co neue Zeitschriftenkonzepte prägen

von Kristin Biesenbender

25 Herausgeberinnen und Herausgeber, Redakteurinnen und Redakteure haben sich auf der VIII. Fachtagung zur Lage der sozial- und geisteswissenschaftlichen Zeitschriften am 11. Juni 2018 in der ZBW in Hamburg getroffen, um sich über aktuelle Entwicklungen aus dem Zeitschriftenumfeld auszutauschen. Es stellt sich immer wieder neu die Frage, welche Entwicklungen zum Zeitschriftenkonzept passen und sich sinnvoll antizipieren lassen.

Zeitschriftenkonzepte

Marika Przybilla-Voß vom Göttinger Institut für Demokratieforschung präsentierte zu Beginn der Tagung das Konzept von INDES – Zeitschrift für Politik und Gesellschaft. Die Zeitschrift widmet sich vierteljährlich Schwerpunktthemen aus sozialwissenschaftlicher Perspektive.

Forschung soll für jeden nachvollziehbar sein, weshalb eine verständliche Sprache für die Zeitschrift von zentraler Bedeutung ist. Um einen anderen Blick auf Themen zu erhalten, werden gezielt Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler als Autorinnen und Autoren akquiriert. Zum Konzept gehören Interviews und Debattenbeiträge, die durch ein eigenes Bebilderungskonzept unterstrichen werden.

Anschließend stellte Sebastian Waic, einer der Mitbegründer von Junior Management Science e. V., das Review- und Publikationssystem der Zeitschrift JUMS vor.

Die Zeitschrift hat es sich zur Aufgabe gemacht, die besten Abschlussarbeiten aus der Betriebswirtschaftslehre zu veröffentlichen und damit frühzeitig das Interesse an wissenschaftlichem Arbeiten zu wecken. Dabei steht die Qualitätssicherung im Rahmen eines Double-Blind-Review-Verfahrens im Vordergrund, damit die Beiträge (über Zitationen) anschlussfähig sind. Die Zeitschrift stellt somit ein Instrument zur Nachwuchsförderung in den Wirtschaftswissenschaften dar.

Open Access

Vielfältige Transformationsprozesse sind in den vergangenen Jahren durch Open-Access-Initiativen angestoßen worden. Dies betrifft vor allem auch die Publikation wissenschaftlicher Zeitschriften. Eckhart Arnold von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften stellte sich in seinem Vortrag zu Open Access in den Geisteswissenschaften die Fragen: Wohin geht die Reise? Wohin sollte sie gehen?

Technische Möglichkeiten insbesondere der Verbreitung von Fachartikeln können aufgrund von Verwertungs- und Urheberrechten nicht immer ausgeschöpft werden. Aus dieser Perspektive hat sich die Rolle der Verlage umgekehrt: Sie behindern die Verbreitung mehr, als dass sie ihr dienen. Auch die Verschränkung von Bewertungs- und Publikationssystem lässt Forschenden wenig Handlungsspielraum bei der Publikationswahl. Denn das Peer Review ist ein allgemein anerkanntes Verfahren zur Qualitätssicherung in der Wissenschaft, das bisher an die Publikation in bestimmten Zeitschriften gekoppelt ist.

Anschließend referierte Jens Lazarus von der ZBW über die DEAL-Verhandlungen mit den Großverlagen und die Entwicklung im Publikationsmarkt.

Die DEAL-Verhandlungen betreffen die drei großen Verlage mit einer Konzentration von 25% Elsevier, 12% jeweils Springer und Wiley im Zeitschriftenmarkt. Ziel der Verhandlungen ist, dass alle Publikationen von Autorinnen und Autoren aus deutschen Einrichtungen automatisch Open Access geschaltet werden. Zudem wird eine angemessene Bepreisung verhandelt, die sich am Publikationsaufkommen orientieren soll.

Blockchain-Technologien

Auch neue Verfahren aus Blockchain-Technologien finden Eingang in die Wissenschaft. Martin Etzrodt von der ETH Zürich stellte einige Ansätze vor, wie sie sich für die Wissenschaft sinnvoll nutzbar machen lassen.

Bisher war es nur Ziel, das Publikationssystem auf der Blockchain abzubilden. Sie kann aber auch den Prozess der Wissensproduktion unterstützen. Die Blockchain ermöglicht eine vollständige Transparenz darüber, welcher Forschende welche Erkenntnis, welche Daten, welche Analysen zu einem bestimmten Zeitpunkt abgespeichert hat. Auf diesem Wege lässt sich die Priorität einer „Entdeckung“ eindeutig einer Wissenschaftlerin oder einem Wissenschaftler zuordnen und kann damit auch die Zuschreibung von Reputation gewährleisten. Darüber hinaus ermöglicht sie kollaboratives Arbeiten von Forschenden weltweit in Echtzeit. Plattformen, um Forschungsideen vorzuschlagen und zu ranken, die auch gleichzeitig eine finanzielle Absicherung des Forschungsvorhabens ermöglichen, sind nur einer von vielen möglichen Anwendungsfällen.

Peer Review und Impact-Faktoren

Auch Review-Prozesse lassen sich automatisieren. Martina Franzen vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung zeigte die Möglichkeiten von Big Data im wissenschaftlichen Bewertungshandeln auf.

So lassen sich Daten darüber erheben, wie, wer, wann, warum, wo und was begutachtet wird. Auf dieser Grundlage sind eine Vorhersage von High-impact-Artikeln, eine automatische Generierung von Gutachten und auch automatisierte Entscheidungssysteme möglich. In einem Experiment ließ sich zeigen, dass bereits mit den gegenwärtigen technischen Verfahren (unter anderem zu maschinellem Lernen) Fake-Reviews erstellt werden konnten, die in 30% der Fälle für echt gehalten wurden.

Schließlich stellt sich die immerwährende Frage nach der Rolle von Impact-Faktoren bei der Vermessung der Wissenschaft. Margit Osterloh von den Universitäten Zürich und Basel sowie dem CREMA Zürich machte noch einmal deutlich, wie problematisch die gängige Interpretation von Zeitschriften-Rankings ist.

So wird fälschlicherweise unterstellt, dass der Impact-Faktor einer Zeitschrift etwas über die Qualität eines einzelnen Aufsatzes aussagt. So liegen 75% der Artikel in Nature und Science unterhalb des Impact-Faktors der jeweiligen Journals – mancher Artikel aus einem C-Journal wird öfter zitiert als der eines A-Journals. Doch diese Unterstellung beeinflusst insbesondere die Karrieren von Nachwuchswissenschaftlern und Nachwuchswissenschaftlerinnen immens. Denn für die Karriere kommt es weniger auf Zitationen und damit die Anschlussfähigkeit der eigenen Forschung in der Scientific Community an, sondern auf die Veröffentlichung in bestimmten Journals. Aufgrund dieser negativen Einflussfaktoren plädiert Osterloh nach einer Vorselektion für eine kontrollierte, fokussierte Zufallsauswahl bei Stellenbesetzungsverfahren. Die Vorteile lägen auf der Hand: keine Korruption und Netzwerkvorteile, es motiviert Kandidaten, die keine Freude am Wettbewerb haben, es entspricht der fundamentalen Unsicherheit in der Wissenschaft und diversifiziert Risiken.

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