Öffnung der Wissenschaft: So wird die Bibliothek zum Hub für Open Innovation und Science

Offenheit in Wissenschaft und Innovation lässt sich in zwei Dimensionen betrachten: Einerseits die Einbindung verschiedenster Wissensgeber in die verschiedenen Phasen des Wissenschafts- beziehungsweise Umsetzungsprozesses. Andererseits die Schaffung von Transparenz und freiem Zugang zu den Ergebnissen wissenschaftlicher Arbeit.

Eine neue Initiative des Stifterverbands für offene Wissenschaft und Innovation hat sich zum Ziel gesetzt, Open Innovation und Open Science nicht länger getrennt nach Wirtschaft und Wissenschaft zu betrachten. Vielmehr sollen die gemeinsame Debatte und die Schaffung von Schnittstellen dazu beitragen, dass ihre Innovationspotentiale besser ausgeschöpft werden und so Impulse für den Wissenschafts- und Innovationsstandort Deutschland entstehen.

Als erster Schritt wurde ein Diskussionspapier „Was bringt die Öffnung von Wissenschaft und Innovation?“ zum Stand und Wert offener Wissenschaft und Innovation veröffentlicht. Bei der Erstellung des Papiers wurden mehr als 50 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik einbezogen. Zu den darin enthaltenen Handlungsempfehlungen zählen:

  • Potenziale an Schnittstellen der Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft erschließen, um Wechselwirkungen von Open Innovation und Open Science besser auszuschöpfen
  • Neue Orte für Systemlösungen entwickeln und hierbei ausgewählten Hochschulen eine Rolle als „Open Innovation Hub“ geben
  • Anreize und Strukturen in der Wissenschaft weiterentwickeln, um arbeitsteilige Wissensproduktion besser abzubilden
  • Eine explizite politische Strategie entwickeln, um Akteure in ihren Bemühungen um Offenheit in Wissenschaft und Innovation zu bestärken

Bibliotheken könnten dabei eine bedeutende Rolle spielen. Wie können Bibliotheken zu Open Innovation Hubs werden?

Bibliotheken als Brückenbauer

Da kreative Lösungen oftmals an den Grenzen der Disziplinen entstehen, gilt es, Schnittstellen und Experimentierfelder für Open Science und Open Innovation in Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung zu schaffen. Die Einbindung bislang nicht üblicherweise in Forschungsprozessen vertretener Akteure führt zu positiven Synergieeffekten, die sich aus der Zusammenführung von wissenschaftlichem und lebensweltlichem Wissen ergeben. Werden Daten und Erkenntnisse geteilt, erspart dies Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Mehrfacharbeiten, zudem werden neue Forschungsthemen inspiriert. Die Öffnung der Wissenschaft wirkt sich positiv auf die Motivation junger Talente in Hochschulen und Forschungseinrichtungen aus, da sie ihre Autonomie und Gestaltungsspielräume vergrößert.

Zur Öffnung der Wissenschaft gehören neue Denkweisen des wissenschaftlichen Arbeitens. Transparenz, die Bereitschaft, Wissen zu teilen und neue Forschungsfragen von Fachfremden aufzunehmen sind gefordert. Mit den derzeitigen Reputationsmechanismen lässt sich dies schwer vereinbaren; die Weiterentwicklung von Hochschulstrukturen könnte neue Impulse für Offenheit und Innovation in Forschung und Lehre bringen. Damit könnte zudem der Transfer von den Hochschulen in Wirtschaft und Gesellschaft gestärkt werden. Denn die Öffnung der Wissenschaft schafft die methodischen und kulturellen Voraussetzungen für Open Innovation in Science, die wiederum zu einem offenen, wertschöpfungsorientierten Innovationssystem beiträgt.

Brücken zu bauen ist gefordert, wenn es um die Förderung von Open Science geht, wo es immer noch große Wissenslücken zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf der einen Seite und der E-Infrastrukturlandschaft auf der anderen Seite gibt. Die Communities agieren bislang weitgehend separat voneinander. Hier können Bibliotheken einen wichtigen Beitrag leisten, ebenso wenn es um den Brückenbau zwischen den verschiedenen Communities und Zielgruppen zur Förderung von Open Innovation geht.

Gemeinsam ist den verschiedenen Ansätzen zur Openness, dass sie sich der offenen Bereitstellung von Wissen und der Einbindung neuer Akteure widmen. Durch einen verstärkten Austausch können sie sich wechselseitig Impulse geben.

Experimentierräume und Netzwerkmöglichkeiten schaffen

Neue Formen der gemeinsamen Ideenfindung in Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung, gemeinsames Gestalten und Handeln können durch das Bauen von Brücken gefördert werden. Wissenschaftliche Institutionen können dabei eine herausgehobene Funktion als Knotenpunkte im Innovationssystem einnehmen.

„Auch können Hochschulen als Zentren im Innovationsökosystem verankert sein, zu dem Bürger, organisierte Zivilgesellschaft, private und öffentliche Einrichtungen und eben auch Unternehmen gehören. Zum anderen bietet der Ansatz Hochschulen die Möglichkeit, ganz anders als bisher vom Potenzial von Studierenden, Mitarbeitern und Partnern zu profitieren.“

Bibliotheken können hierzu ebenso beitragen.

„Bibliotheken können als Wissensrepositorien und durch Erweiterung der Wissensvermittlungs- und Wissensaustauschprozesse (textuell/nicht-textuell) zu neuen Scharnierstellen in offenen Wissenschafts- und Innovationsprozessen werden.“

Aber auch über diese im Diskussionspapier genannte Option hinaus, ist eine zentrale Rolle von Bibliotheken beim Brückenbau denkbar. Konkret könnten sie durch neue Netzwerkmöglichkeiten und die Schaffung von Experimentierräumen unterstützen. Dies könnten beispielsweise Reallabore und Makerspaces sein oder (virtuelle) Innovation-Labs, die die Öffnung bestehender Forschungsinfrastrukturen für Dritte beinhalten. Es geht auch darum, Strukturen und Methoden anzubieten, zu beraten, Such- und Matchingprozesse von Problemstellungen und Lösungsideen sind effizient zu gestalten.

Dafür müssen wie im Diskussionspapier geschrieben neue Intermediäre entstehen, die die Kulturentwicklung für Openness fördern, Methoden vermitteln, zum Abbau von Hemmnissen beitragen und Best-Practices auf eine breitere Masse übertragen. Die Öffnung von Wissenschafts- und Innovationsprozessen trägt damit dazu bei, dass sich der Bedarf an Innovationsmanagement, Coaches und Intermediären, die zwischen den Akteuren vermitteln, verändert.

Voraussetzung: Bibliotheken müssen selbst open sein

Wird Offenheit in Wissenschaft und Innovation forciert, so verändert dies bestehende Strukturen. Die Offenheit hat Einfluss auf die Arbeitsteilung der Akteure bei Wissensproduktion und –verbreitung sowie auf die Abläufe in Innovationsprozessen. Somit wirkt sich die Offenheit auch auf die Institutionen aus, in denen Wissenschaft und Innovation betrieben werden.

„Was kann eine offene Wissenschaft von Agilitätskonzepten, also einem flexiblen und initiativen Prozessmanagement, und Beteiligungsprozessen in Unternehmen und Verwaltung lernen? Wie kann auf der anderen Seite das Innovationssystem insgesamt von Open Science-Konzepten und -Modellen profitieren?“

Zentral für den erfolgreichen Aufbau von Open Innovation und Open Science sind eine Kultur der Offenheit und der Abbau von Hemmnissen. Damit Öffnungsprozesse funktionieren, brauchen sie einen Anstoß durch die Leitung der Organisation oder mindestens deren Unterstützung; Führungspersönlichkeiten, die Offenheit vorgeben und vor allem auch selbst innerhalb der Organisation vorleben.

Bibliotheken profitieren selbst davon

Letztlich profitieren Bibliotheken selbst beträchtlich von einem Wandel hin zu Open Innovation Hubs. Denn sie erhalten so neue Impulse für die Weiterentwicklung der eigenen Organisation und ihrer Services. Zugleich können offene Formate etablierten Institutionen dabei helfen, innovative Talente als Arbeitskräfte zu rekrutieren, da in diesem Rahmen eine Umgebung geschaffen wird, die für sie attraktiv ist, und die Offenheit zudem zu einer positiven öffentlichen Wahrnehmung der eigenen Institution beiträgt.

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Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem "Open Economics Guide". (Porträt: Copyright

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