NMC Horizon Report 2017 Library Edition: Digital Citizenship fördern

Am 23. März wurde der NMC Horizon Report 2017 Library Edition veröffentlicht. Wie in den vorhergehenden Reports für wissenschaftliche Bibliotheken ist er in die gewohnten Kategorien eingeteilt: wichtige Technologieentwicklungen für Bibliotheken, Trends sowie Herausforderungen, die die Übernahme neuer Technologien in Bibliotheken beschleunigen beziehungsweise behindern. Diesen sind, jeweils untergliedert nach kurz-, mittel- oder längfristigem Horizont beziehungsweise abgestuft nach dem Schwierigkeitsgrad, jeweils sechs Themen zugeordnet.

Trendthemen im Zeitverlauf

Zu den Neuerungen des Reports zählt ein Überblick über die Themen der bisherigen drei NMC Horizon Reports Library Edition von 2014, 2015 und nun 2017. Auf einen Blick wird so ersichtlich, wie sich die Themen im Zeitverlauf entwickelt haben. So wird deutlich, dass manche, wie das Forschungsdatenmanagement, Dauerbrenner sind. Der Bericht enthält nun auch die „Halbfinalisten“, Themen, die es nicht in die Endrunde der 18 Themen geschafft haben. Diskussionen der 77 beteiligten Expertinnen und Experten zu diesen Themen und den Themen des Reports finden sich in dem Wiki das für die Erstellung des Reports eingesetzt wurde und das weiterhin zugänglich ist.

Welche Trends, Technologien und Herausforderungen erscheinen im Zusammenhang mit Open Science als besonders wichtig?

Änderungen bei Arbeitsweisen, Tools und der Leistungsmessung wissenschaftlichen Outputs

Veränderungen durch digitale Forschung, Altmetrics und Open-Access-Ressourcen stellen einen langfristig für die Entwicklung von Bibliotheken relevanten Trend dar. Bibliotheken werden in Zusammenhang mit dem technologisch begründeten Wandel bei der Art und Weise, wie Informationen gesammelt, geprüft und verteilt werden, und mit dem Wandel von textbasierten Materialien hin zu digitalen, dynamischeren, angereicherten Formaten, mehr und mehr zu zentralen Anlaufpunkten für die Forschungsarbeit und -ergebnisse ihrer akademischen Communities. Damit übernehmen sie – wenn auch langsam – Stückchen für Stückchen Teile der traditionellen Rollen von anderen Anbietern wie etwa von wissenschaftlichen Zeitschriften. Daraus entsteht auch weiterer Service- und Informationsbedarf bei Bibliotheken. Dazu gehört, dass sie für das Bereitstellen von Open Data werben und dabei unterstützen.

Forschungsdatenmanagement bleibt weiterhin ein wichtiges Trendthema. In Verbindung damit müssen sich Bibliotheken auch auf neue Formate einstellen, die etwa aus der Virtual-Reality-Technologie und künstlicher Intelligenz entspringen.

Die Zunahme des Einsatzes digitaler (sozialer) Medien und Tools für die Forschung verändert Forschungsprozesse, etwa durch neue kollaborative Elemente. Wissenschaftliche Bibliotheken unterstützen Forschende bei der Anwendung digitaler Forschungstools. Beispiele dafür sind die Einrichtung von Digital Scholarship Centers auf ihrem Campus, Beratungsangebote und Anwendungstrainings.

Der Umgang mit digitalen Identitäten

Verbunden mit der zunehmend digitalen wissenschaftlichen Arbeit sind Themen wie Datenschutz und Authentifizierung, aber auch die Datenspuren, die die Einzelnen online hinterlassen. Als Unterthema des Themas Digital Literacy und da es zunehmend wichtiger wird, den Forschungsoutput einer Person kreuz und quer im Web zurechnen zu können, gewinnt das Thema der Online-Identität und der Unterstützung der persönlichen Markenbildung an Bedeutung. Manche Bibliotheken unterstützen dies durch die Veröffentlichung von Leitfäden.

Digital Citizenship und Kunden bei der Kreation von Inhalten fördern

Die Digital Citizenship von Studierenden und Forschenden zu verbessern, stellt laut dem Report eine für Bibliotheken lösbare Herausforderung dar. Die Vermittlung von Digital Literacy in dem Zuge sollte dabei nicht auf einzelne isolierte technische Fähigkeiten beschränkt sein, sondern die Vermittlung eines tieferen Verständnisses der digitalen Umgebung umfassen. Dieses Verständnis sollte dazu befähigen, sich intuitiv in neue Kontexte und die gemeinsame Erstellung von Inhalten einzuarbeiten, und gleichzeitig um die Chancen als auch die Risiken digitaler Arbeit zu wissen. Der angemessene und verantwortungsbewusste Einsatz von Technologien wird damit sowohl zum Gegenstand von Services für Studierende wie für die eigene Personalentwicklung.

Dass Bibliotheken zunehmend ihre Raumnutzung überdenken und beispielsweise Makerspaces einrichten, Medienproduktionsstudios und andere Bereiche für Kollaboration und aktives Lernen, spiegelt eine tiefergehende Verschiebung im pädagogischen Vorgehen wider. Das praxisbezogene Lernen durch eigene Aktivität, das Kreieren etwa von Content und Projektergebnissen, statt dem bloßen Konsum von Content, nimmt zu. Diese Entwicklung kommt beispielsweise in der Maker-Bewegung, Crowdfunding-Projekten oder von Usern produziertem Videocontent zum Ausdruck. In diesem Zuge wird von Bibliotheken erhofft oder erwartet, dass sie dabei ihren mehr und mehr selbst zu Innovatoren werdenden Nutzerinnen und Nutzern unterstützend zur Seite stehen. Dazu gehört auch, dafür wichtige Tools bereitzustellen, und somit ihre traditionelle Rolle als Wissensvermittler und Treffpunkte für Wissenschaft und Forschung zu erweitern.

Innovative Services fordern internen Wandel

Angesichts der vielfältigen Herausforderungen von Bibliotheken wie dem Ressourcenmangel und der zunehmenden mobilen Nutzung oder sich wandelnder Kundenansprüche müssen Bibliotheken die eigene Rolle neu definieren und innovative Services schaffen. So könnten etwa künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge und virtuelle Assistenten wie Amazon Echo Bibliotheksservices noch nützlicher machen, indem sie das Nutzungserlebnis personalisieren und für einen effizienteren Zugang zu passgenauen Ressourcen sorgen.

In diesem Zusammenhang ändern sich auch die Fähigkeiten, die Bibliotheksmitarbeiterinnen und -mitarbeiter benötigen. Mit dem eigenen Können relevant zu bleiben und Unterstützung für dessen Weiterentwicklung zu bekommen, ist wichtig.

Damit einhergehend wird in dem Report die Notwendigkeit benannt, dass Bibliotheken auch ihre eigenen Organisationsstrukturen anpassen, um in der Lage zu sein, innovative Services anzubieten und entsprechend dem Kundenbedarf zu handeln. Rigide Hierarchien werden dafür angesichts der großen Menge an Informationen und einer sich ständig ändernden Umwelt nicht mehr als effektiv angesehen. Vielmehr wäre eine Anwendung agiler, flexibler und anderer moderner Arbeitspraktiken gefordert, um die sich wandelnden Rollen und Aufgaben von Bibliotheksmitarbeiterinnen und –mitarbeitern, aber auch den Wandel der Arbeitswelt im Allgemeinen, widerzuspiegeln und zu unterstützen. Die Arbeit in Bibliotheken sollte demnach eher dem Leitbild einer Lerncommunity entsprechen und dafür auf mehr interne Zusammenarbeit, Interaktionen und Offenheit setzen sowie den Einsatz interdisziplinärer Ansätze zur Problemlösung berücksichtigen.

 

Weiterführende Quellen:

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Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem "Open Economics Guide". (Porträt: Copyright

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