Open Science Conference 2017: Bericht

Die Tagung ist eine Fortführung und Weiterentwicklung der “Science 2.0 Conference”, um die aktuelle Open-Science-Bewegung aufzugreifen, die derzeit stark durch europäische Forschungspolitik geprägt wird. Die Aktualität und Relevanz des Themas war schon im Vorfeld der Tagung zu spüren, die mit 220 Teilnehmenden aus 34 Ländern bereits früh ausgebucht war.

Klaus Tochtermann betonte daher als Chair der Tagung in seiner Eröffnungsrede: „Open Science gained momentum“

Die Open Science Conference bestand auch in diesem Jahr wieder im Kern aus Vorträgen international renommierter Expertinnen und Experten. Dazu gab es zwei Paneldiskussionen, zwei Workshops sowie eine Poster-Session, in der 18 angenommene Beiträge von insgesamt 57 Einreichungen vorgestellt wurden. Die Poster-Session greift eine Forderung der Community auf, die Tagung auch dafür zu öffnen, was aktuell in verschiedenen Open-Science-Projekten und den jeweiligen Communities passiert. Die Schwerpunkte lagen dieses Jahr zum einen auf Forschungsdaten bzw. Forschungsdateninfrastrukturen sowie offene Bildungsressourcen bzw. Open Educational Resources (OER) als ein Aspekt von Open Science. Zum anderen wurden alternative Methoden für die Evaluation wissenschaftlicher Leistungen diskutiert.

Unter #OSC2017 können die Tweets der Tagung verfolgt und nachgelesen werden.

 

 

Grundlegende generische Forschungsdateninfrastrukturen für FAIR Data

Auch während der Tagung zeigte sich deutlich, dass Open Data ein zentrales Thema ist, das im Kontext von Open Science auf Ebene nationaler wie europäischer Forschungspolitik stark vorangetrieben wird. Dabei wurden immer wieder die “Fair Data”-Prinzipien (Findability, Accessibility, Interoperability and Reusability) herangezogen, wenn es um einen fairen offenen Zugriff auf Forschungsdaten geht.

Somit bilden diese Prinzipien eine Grundlage für ein gemeinsames Verständnis von Open Data. Sowohl in der „European Open Science Cloud“ (EOSC), als eine föderierte, europaweite Forschungsdateninfrastruktur, als auch in der in Deutschland geplanten “Generic Research Data Infrastructure” (GeRDI), als ein nationaler Infrastrukturbeitrag aus Deutschland zur EOSC, spielen die FAIR-Data-Prinzipien eine wichtige Rolle.

Jean-Claude Burgelmann von der Europäischen Kommission hat den aktuellen Stand bzw. die Roadmap für die nächsten Schritte zur Implementierung der EOSC vorgestellt . Derzeit gibt es mit dem EOSCpilot ein entsprechendes Pilotprojekt. Das Projekt GeRDI wurde von Arndt Bode vom Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) in München vorgestellt

Allerdings müssen die FAIR-Data-Prinzipien auch umgesetzt werden, wie Barend Mons als früherer Vorsitzender der “High Level Expert Group of the EOSC” der Europäischen Kommission in seinem Vortrag betonte, und dazu müssen anerkannte Standards definiert und festgelegt werden.

Mons betonte, der Erfolg des Internets, so wie wir es kennen, beruht auf Standards, nicht nur auf Prinzipien.

Bei der Vielzahl an Initiativen rund um das Themenfeld Forschungsdaten fällt auf, dass dieser Bottom-up-Prozess auch von Top-down-Impulsen aus der Wissenschaftspolitik begleitet wird, dies aber noch nicht zu einer zufriedenstellenden und durchdringenden Angebotslandschaft geführt hat. Es wird daher sehr wichtig sein, Forschungsdateninfrastrukturen wie die EOSC oder GeRDI anzubieten, die disziplinübergreifend funktionieren und in der Breite bekannt sind.

 

 

Offen ist nicht frei

Auffällig war, dass in vielen Vorträgen kontinuierlich betont wurde, dass “offen” nicht “frei” bedeutet. Dabei wurde nicht immer klar, worauf sich dies bezieht bzw. worin der eigentliche Unterschied besteht, wenn “offen” quasi einschränkender als “frei” gesehen wird. Was bedeutet dies beispielsweise für den Endnutzer? Hier besteht die Gefahr, eine weitere begriffliche Unschärfe entstehen zu lassen, die eigentlich vermieden werden sollte.

Es wird natürlich Regelwerke geben, wer wann und wozu welche Daten nutzen darf, auch wenn der eigentliche Zugriff in dem Sinne kostenlos ist. Kostenloser Zugang bedeutet allerdings nicht, dass keine Kosten entstehen. Daher wurde auch in einigen Vorträgen betont, dass es nachhaltige Geschäftsmodelle geben muss, in denen entsprechende Kooperationen mit den jeweiligen Stakeholdern festgeschrieben werden sollten. Dazu gehören auch kommerzielle Stakeholder wie wissenschaftliche Verlage oder Produzenten von Bildungsmaterialien.

Offenheit hat somit auch Grenzen. Daher wird in der Regel zwar unisono Offenheit als Default verfolgt, aber es gilt auch die Regel “so offen wie möglich und geschlossen wo nötig”. Matthias Graf von Kielmansegg vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat beispielsweise betont, dass das BMBF eine geeignete Balance zwischen offener und geschlossener Forschung anstrebt. Das BMBF fördert beispielsweise Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, in denen nicht alles offen sein kann.

Open Science – kulturelle Barrieren, nicht technische sind zentral

Der Übergang der Forschung zu einem offenen Ökosystem ist ein langwieriger Prozess mit zahlreichen Herausforderungen. Diese Herausforderungen sind aber im Wesentlichen sozialer und kultureller Natur, aber nicht unbedingt technischer, wie in vielen Vorträgen betont wurde. Die Hürden befinden sich in den Köpfen und diese mentalen Barrieren gilt es abzubauen. Ein grundlegendes Problem ist, dass die derzeitig im wissenschaftlichen Bewertungssystem genutzten Indikatoren die Komplexität der Digitalisierung der Wissenschaft, mit seinen neuen Arbeitsweisen und Endprodukten wie Forschungsdaten und Software sowie die durch die Digitalisierung möglich gewordenen Open-Science-Praktiken, nicht ausreichend berücksichtigen.

Es werden Anreize benötigt, dass Forschende beispielsweise Infrastrukturen wie die EOSC und GeRDI in Zukunft auch tatsächlich nutzen werden. Ein Weg dorthin sind Indikatoren bzw. Metriken, die die Digitalisierung der Wissenschaft und Open-Science-Praktiken geeignet abbilden können. Damit hat sich die “European Commission Expert Group on Altmetrics” auseinandergesetzt und im Rahmen der Tagung deren Abschlussbericht vorgestellt und in einem Panel diskutiert.

 

 

Zu den Hauptergebnissen gehören, dass erstens weder traditionelle noch alternative Metriken perfekt funktionieren und daher ein verantwortungsbewusster Umgang mit Metriken zentral ist und zweitens, dass jegliche Metriken für Open Science offen sein sollten.

Insbesondere die Offenheit und der verantwortungsbewusste Umgang mit Metriken der nächsten Generation seien zentrale Aspekte für das Schaffen von Transparenz, dem Gewinnen von Vertrauen und somit dem Abbau von Barrieren. Der Begriff verantwortungsbewusste Metriken bedeutet, dass nur das gemessen wird, was wirklich wichtig ist und zählt (“measure what matters”) und auch die Nachteile falsch angewendeter Metriken aufgezeigt werden, so zwei Handlungsempfehlungen aus dem Abschlussbericht.

In diesem Kontext hat Burgelmann in seinem Vortrag bereits am Tag zuvor den Open Science Monitor der Europäischen Kommission vorgestellt, der erste Indikatoren zur Erfassung der Entwicklungen und Trends in Open Science in Europa vorschlägt.

 

Mehr Partizipation der Zivilgesellschaft

Open Science betrifft nicht nur das Wissenschaftssystem, sondern zielt auch auf die Zivilgesellschaft ab. Unter dem Begriff “Citizen Science” verortet sollen Bürgerinnen und Bürger stärker an Forschungsprozessen beteiligt werden, also partizipieren. Eine Bewegung, die zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Johannes Vogel, als Vorsitzender der “Open Science Policy Platform” (OSPP), die die Europäische Kommission bei der Umsetzung der Open-Science-Agenda berät, hat in seinem Vortrag die zukünftige Bedeutung dieser Art der Partizipation für das Wissenschaftssystem herausgestellt. Bürgerinnen und Bürger wollen sich beteiligen. Damit soll auch Forschung gegenüber der Zivilgesellschaft transparenter gemacht werden und somit deren Akzeptanz erhöht werden. Dies betrifft insbesondere gesellschaftlich relevante Themen wie etwa den Klimawandel.

Wissenschaftlich gebildete Bürger sollen deutlich tiefgreifender als bisher in die Forschung eingebunden werden und eng mit Forschenden zusammenarbeiten, um so auch Open Innovation im Sinne von Open Science zu fördern. Forschende müssen Bürgerinnen und Bürger dazu entsprechend unterrichten und über eine frühzeitige Einbindung nachdenken. Laut Vogel sollten 10 Prozent des Forschungsetats für öffentliches Engagement investiert werden.

Derzeit ist Citizen Science noch relativ am Anfang. In vielen Projekten läuft eine Beteiligung beispielsweise über eine „crowd“-basierte Erhebung von Daten ab.

Aber laut Vogel ist eine intensive Form der Partizipation durch die Zivilgesellschaft ein notwendiger „tiefgreifender Wandel“ für das Überleben des derzeitigen Wissenschaftssystems; andernfalls drohe der langsame Tod (“Deep change or slow death!”).

OER und Open Science

Insbesondere der zweite Tag der Tagung widmete sich der Rolle von OER in Open Science, zwei bisher eher getrennte Communities. Graf von Kielmansegg betonte in seinem Vortrag, dass OER im Kern das kollaborative Erstellen sowie das Teilen von Bildungsmaterialen beinhalten. Kollaboration und Teilen sind zentrale Aspekte von Open Science. Dirk von Damme, als Vertreter der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD), führte diesen Zusammenhang zwischen OER und Open Science weiter aus und konkretisierte die Eigenschaften von OER durch die so genannten 5 R’s (Retain, Reuse, Revise, Remix, Restribute), was viele MOOCs nicht erfüllen würden. Gleichzeitig betonte er, dass die Kultur der Kollaboration und des Teilens beispielsweise unter Lehrkräften nicht weit verbreitet sei.

Marco Kalz von der Open University of the Netherlands hob in seinem Vortrag hervor, dass positive Effekte von OER, wie mehr Innovation, noch gar nicht durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt seien und daher in diesem Bereich mehr Forschung betrieben werden müsse. Marc Rittberger vom „Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung“ (DIPF) stellte mit OERInfo einen vielversprechenden Ansatz vor, um die OER-Community zumindest in Deutschland besser zu unterstützen und zu vernetzen. Dazu wird eine zentrale Anlaufstelle geschaffen, die über die Schwerpunkte Information, Transfer und Netzwerken einen Überblick über OER verschafft.

Abschließend kann festgehalten werden, dass die OER- und Open-Science-Community bisher zwar eher wenige Berührungspunkte haben, aber eine engere Kooperation durchaus sinnvoll ist. OER können ein wichtiger Baustein sein, um Open-Science-Praktiken auch in der Lehre zu verankern. Zudem könnten OER-Materialen im Kontext von Citizen Science auch gezielt auf die Zivilgesellschaft zugeschnitten sein. Somit erscheint eine engere Kooperation der Communities durchaus sinnvoll.

Aus- und Rückblick – Open Science Conference 2017+

    • Die Vorträge und präsentierten Poster werden direkt im Programm der OSC 2017 verlinkt.
    • Die Pressemitteilung der ZBW zur OSC2017 finden Sie hier
    • Unter dem Hastag #OSC2017 können die Tweets der Tagung nachgelesen werden.
    • Zur Poster-Session gibt es zudem Podcasts von Open Science Radio.

 

Die Open Science Conference findet auch 2018 wieder in Berlin statt. Dort sollen Communities eingeladen werden, die Forschungsdateninfrastrukturen nutzen und somit auch potentielle Nutzende von EOSC und GeRDI sind. Zudem wird es wieder den aktuellen Stand europäischer Forschungspolitik geben, an dem es beispielsweise Berichte anderer Expertengruppen geben wird.

 

Fotos: Oliver Lang©

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Dr. Guido Scherp ist Leiter der Abteilung “Open-Science-Transfer“ der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft und Koordinator des Leibniz-Forschungsverbunds Open Science. (Porträt: Photographer Sven Wied, ZBW©)

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