Open Access-Strategie des BMBF – ein wichtiger Lückenschluss
Mit seiner Open Access-Strategie strebt das Bundesministerium für Forschung und Bildung (BMBF) an, Open Access zum Standard zu machen, und stellt darin den grünen und goldenen Weg gleichberechtigt nebeneinander. Damit gewinnt Open Access an Fahrt und bereitet möglicherweise den Weg für ein noch stärkeres Bekenntnis zu Open Science.
von Dr. Willi Scholz, Olaf Siegert und Prof. Klaus Tochtermann
Am 20.09.2016 hat das BMBF seine Open Access-Strategie mit dem Titel “Open Access in Deutschland – Die Strategie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung” veröffentlicht. Das Papier ist Teil der Digitalen Agenda 2014-2017, mit der die Bundesregierung die Rahmenbedingungen für einen ungehinderten Informationsfluss innerhalb der Wissenschaft und Forschung verbessern möchte, aber auch in alle Wirtschafts- und Gesellschaftsbereiche hinein.
Aktionsfelder der Open Access-Strategie
Das Papier fasst zunächst den Status Quo zur Open Access-Entwicklung zusammen und benennt dann verschiedene Leitprinzipien für die eigene Strategie. Danach werden die einzelnen Aktionsfelder der Open Access-Strategie benannt. Dies sind im Einzelnen:
- Verankerung von Open Access als Grundprinzip in der eigenen Förderung,
- Sichtbarkeit und Akzeptanz,
- Kompetenzaufbau und Verbreitung von Erfolgsmodellen aus der Praxis,
- Finanzielle Unterstützung,
- Transparenz und Monitoring.
Insbesondere der erste Punkt ist erwähnenswert, weil das BMBF zu den wichtigsten Förderorganisationen in der Wissenschaftslandschaft zählt. Das Ministerium kündigt hier ein Open Access-Mandat an, bei dem die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufgefordert werden, Forschungsergebnisse aus BMBF-geförderten Projekten entweder direkt Open Access zu veröffentlichen oder nach Ablauf einer Embargofrist in ein geeignetes Open Access-Repositorium einzustellen.
Open Access als Standard
Darüber hinaus möchte das BMBF “Open Access zum Standard des wissenschaftlichen Publizierens machen”. Um dieses zu erreichen, plant das Ministerium ein sogenanntes “Open Access-Dialogforum” zu etablieren und dort die zentralen Akteure des deutschen Wissenschaftssystems zusammenzubringen, um die bereits bestehenden oder geplanten Strategien und Regelwerke zu Open Access aufeinander abzustimmen und weiterzuentwickeln. Dabei wird es vor allem darauf ankommen, die 16 Bundesländer (etwa über die GWK) erfolgreich einzubinden und ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln. Das dies noch nicht der Fall ist, zeigen die Open Access-Strategien einzelner Bundesländer, wie etwa die von Schleswig-Holstein, Berlin oder Baden-Württemberg, die in ihrer Ausrichtung zum Teil sehr unterschiedlich ausfallen.
OpenDoar – Proportion of Repositories by Country – Worldwide
Grüner und goldener Weg gleichberechtigt
Begrüßenswert ist auch die Aussage, dass das BMBF beide Wege des Open Access gleichermaßen präferiert, also nicht nur den goldenen Weg, bei dem Forschungsergebnisse unmittelbar in Open Access-Zeitschriften oder Monographien veröffentlicht werden, sondern auch den grünen Weg, bei dem eine oftmals zeitversetzte Open Access-Stellung von Artikeln über Repositorien der Wissenschaftseinrichtungen erfolgt. Gerade im Bereich des grünen Weges haben die deutschen Wissenschaftseinrichtungen mittlerweile eine Vielzahl von (fast 200) Repositorien aufgebaut und parallel an den einzelnen Einrichtungen Open Access-Beauftragte etabliert, die sich unter anderem um die Befüllung dieser Infrastrukturen mit Publikationen kümmern.
Monitoring von Open Access
Ebenfalls erfreulich ist die Ankündigung des BMBF, einen nationalen “Open Access-Monitor” einzurichten, der nicht nur den Anteil von Open Access-Veröffentlichungen an allen Publikationen messen soll, sondern auch die finanziellen Aufwendungen in diesem Bereich dokumentiert, etwa bei den wissenschaftlichen Bibliotheken. Hier besteht ja die Herausforderung, die Ausgaben für die Informationsversorgung (zum Beispiel für die Subskription von Fachzeitschriften) gemeinsam mit den Ausgaben für die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen (zum Beispiel in Form von Druckkostenzuschüssen oder Autorengebühren) zu betrachten. Nur durch eine aktive Umschichtung von Mitteln aus dem Subskriptionsbereich und aus Mitteln der Projektförderung in die Publikationsfinanzierung ist ein substanzieller Umstieg hin zu Open Access möglich. Dieser Transformationsidee widmet sich die internationale OA2020-Initiative der Max-Planck-Gesellschaft, die in Deutschland bereits von allen großen Forschungsorganisationen, u.a. auch der Leibniz-Gemeinschaft, unterstützt wird.
Erfreuliches Bekenntnis zu Open Access
Insgesamt lässt sich festhalten, dass die BMBF-Strategie zu Open Access aus wissenschaftspolitischer Sicht sehr erfreulich und unterstützenswert ist, weil ein wichtiger Player des deutschen Wissenschaftssystems sich zum einen klar zu Open Access bekennt und zum anderen auch klare Schritte zur weiteren Umsetzung dieses Ziels benennt. Damit schließt das BMBF eine bislang noch bestehende Lücke im Wissenschaftssystem und wird anschlussfähig zu Open Access-Aktivitäten auf Ebene der Forschungsorganisationen, auf Ebene der Bundesländer und bei internationalen Förderern (wie zum Beispiel der EU). Dies ist einerseits ein wichtiges Signal an die Forschungsorganisationen, bei ihren Schritten hin zu Open Access weiter voranzugehen, andererseits aber auch an die wissenschaftlichen Fachverlage, ihre Angebote an Open Access-Geschäftsmodellen weiter auszubauen. Darüber hinaus erleichtert es die BMBF-Strategie der Bundesregierung, auf europäischer Ebene im Rat “Wettbewerbsfähigkeit”, der zuständig ist für Wissenschaft und Forschung, neben den Niederländern eine wichtige Rolle einzunehmen, um Open Access europaweit und in den einzelnen Mitgliedsstaaten zu verankern.
Dementsprechend hat die BMBF-Strategie auch schon ein breites Medienecho auslösen können. Dabei haben die Wissenschaftseinrichtungen die Strategie wie erwartet sehr begrüßt (siehe Leibniz-Pressemeldung), TIB-Blogbeitrag, während der Börsenverein des deutschen Buchhandels insbesondere auf das Open Access-Mandat für BMBF-geförderte Projekte sehr kritisch reagierte. Noch deutlicher fällt das polemisch formulierte Urteil des Literaturwissenschaftlers Roland Reuss in der FAZ aus, dessen Text wiederum für Kritik sorgte (vgl. den Blogbeitrag des Heidelberger Astronomen Markus Pössel). Auch international wurde die Strategie kommentiert, etwa in der Times Higher Education, wobei man sich hier vor allem auf den Blogbeitrag der TIB Hannover bezieht.
Open Access gewinnt an Fahrt – Open Science auch?
Alles in allem steht zu erwarten, dass die BMBF-Strategie dazu beiträgt, den Umschwung des wissenschaftlichen Publikationsmarktes hin zu Open Access weiter zu beschleunigen. Damit wird zugleich ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung einer Wissenschaftskommunikation geleistet, die im Sinne einer Open Science-Idee von Offenheit und Transparenz getragen wird. Es würde nicht verwundern, wenn sich nach der EU mit ihrer Open Science Policy Platform sowie dem Amsterdam Call for Action und den Initiativen einzelner Forschungsorganisationen (wie z.B. dem Leibniz-Forschungsverbund Science 2.0) auch das BMBF demnächst zu Open Science positioniert.
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