Von Spuren im Raum bis zu fühlbaren Emojis: Die Grenzen zwischen digitaler und physischer Welt verwischen
Verschiedene Technologien können heutzutage Brücken zwischen physischer und digitaler Welt bauen. So können beide Welten wechselseitig mit Informationen angereichert werden. Grenzen verwischen, Medienbrüche werden verringert und für Bibliotheken tun sich interessante Einsatzmöglichkeiten auf.
Als ein Symptom der zunehmenden technischen Durchdringung des Alltags im Zuge der digitalen Transformation entstehen immer mehr Brücken zwischen digitaler und realer Welt. Kleiner gewordene Speichermedien und die weite Verbreitung mobiler Internetnutzung haben die Entwicklung beflügelt.
Location Intelligence
In diesem Zusammenhang ist das Thema “Location Intelligence” zu nennen, das laut NMC Horizon Report: 2015 Library Edition reif für Innovationen in Bibliotheken innerhalb der nächsten Jahre ist. Gemeint ist die Möglichkeit, den physischen Raum mit Daten anzureichern und die physische Position eines Gegenstands oder einer Person bestimmen zu können. Nutzerinnen und Nutzer vor Ort erhalten so zielgenau für ihren jeweiligen Aufenthaltsort Informationen, zum Beispiel Empfehlungen oder Serviceangebote. Umsetzen lässt sich dies beispielsweise mit Beacons und QR-Codes
Beacons
Beacons sind kleine, batteriebetriebene Transmitter, die mittels Bluetooth Informationen an Bluetooth-fähige Endgeräte in ihrer näheren Umgebung senden. Für den Empfang dieser Informationen müssen sich die Smartphone-Nutzer aktiv entscheiden. Die BSB München setzt Beacons zur Indoor-Navigation ein. Darüber hinausgehende Einsatzszenarien in Bibliotheken beinhalten Verbindungen zum Nutzerkonto, die es ermöglichen, über ablaufende Leihfristen und bereitliegende Bücher zu informieren ebenso wie über bevorstehende Veranstaltungen.
QR-Codes
In QR-Codes lassen sich auf einfache Weise viele Informationen speichern und verteilen. Die sogenannten “Quick Response”-Codes verteilen Websites, Geo-Daten, Kontaktdaten oder einfach nur Text-Links.
QR-Codes lassen sich ganz einfach selbst erstellen mit Online-QR-Code-Generatoren, etwa dem der ZBW.
Auch wenn ihnen der große Durchbruch bislang nicht gelungen ist, finden sich QR-Codes mittlerweile in vielfältigen weiteren Anwendungen wieder: So werden sie in Museen eingesetzt, um über das Internet weiterführende Informationen über einzelne Ausstellungsobjekte oder Themenkomplexe abzurufen. Im “Interactive Window-Shopping” können sie es Passanten ermöglichen, außerhalb der Ladenöffnungszeiten ausgewählte Artikel des stationären Händlers einzukaufen. Per QR-Code nimmt der Kunde die Produktinformationen auf dem Smartphone mit und bestellt die Waren dann im Online-Shop. Der Händler liefert dem Kunden die Artikel nach Hause oder stellt sie zur Abholung bereit.
In Bibliotheken haben QR-Codes an Bücherregalen Einzug gehalten, an denen sie etwa auf digitale Werke verweisen. Oder sie werden wie an der ULB Münster zur Audio-Tour eingesetzt. Auch im ULB-Katalog sind QR-Codes im Einsatz. So können die Signatur, der Standort und der Titel eines Werkes durch Einlesen des Codes auf das Handy übertragen werden und somit das Heraussuchen am Regal vereinfacht werden. In der ZBW werden QR-Codes beispielsweise auf dem Plakat des Recherche Guides angewendet.
Augmented Reality, Bots und das Internet der Dinge
Auch Augmented Reality-Anwendungen lassen die Grenzen zwischen Off- und Online verwischen. Ebenso wie Chatbots oder Sprachassistenten, mit denen per Stimme kommuniziert wird. Der Einsatz von Robotern, etwa im Kundenservice, trägt ebenfalls dazu bei, Off- und Online-Welt stärker miteinander zu verschmelzen.
Im Internet of Things dienen Objekte als Informationsträger, die über das Internet “ansprechbar” sind. Auch hier kommen zum Beispiel Beacons oder QR-Codes zum Einsatz, um Produkte kommunikationsfähig und miteinander flexibel vernetzbar zu machen. So kann etwa die Kaffeemaschine Quirky ihren Kaffee selbsttätig nachbestellen. Oder wenn das Waschmittel oder ein anderes Verbrauchsgut zur Neige geht, genügt der Knopfdruck auf den Amazon Dash-Button, um eine Nachbestellung auszulösen. Geräte wie Singlecue steuern die im Smart Home vernetzten Gegenstände und lassen sich per Gestensteuerung bedienen.
Anwendungen und Endgeräte, die Off- und Online verbinden
Eine Reihe von Apps ermöglicht es auf vielfältige Art und Weise, die eigene Umgebung zu beeinflussen. So können mittels Messaging-App beispielsweise Raumtemperatur und Helligkeit in Hotelzimmern reguliert werden. Mit der digitalen Leinwand Meural können Nutzerinnen und Nutzer ihre Wand bequem immer neu gestalten. Dafür werden im Abonnement enthaltene Bilder aus Museen oder Galerien oder eigene Bilder ausgewählt und per Gestensteuerung oder App ausgetauscht. Auf Augmented Reality basierend ermöglicht es die App Traces, virtuelle Spuren für ausgewählte Personen im physischen Raum zu hinterlassen: Messages, Musik, Bilder oder Videos. Eine virtuelle Umarmung lässt sich mit Hug an andere Smartphone-User senden. Um das “Emoji, das man fühlen kann” zu versenden, muss das Smartphone mit der entsprechenden App an das eigene Herz gehalten werden. Beim Empfänger kommt dann eine Vibration der gleichen Länge an.
Der Sensor Density übermittelt Informationen über die Anzahl der Personen, die sich in dem Raum, in dem er angebracht ist, aufhalten. Wer es ruhig mag, kann sich also benachrichtigen lassen, wenn in der bevorzugten Arbeitsumgebung gerade wenig los ist. Beim störungsfreien Arbeiten unterstützt ebenso das kleine Acrylglas-Gerät Saent. Es unterbindet ablenkende Apps und Website für einen vorher festgelegten Zeitraum und lässt nur solche zu, die ein produktives Arbeiten ermöglichen.
Die physische Welt zu übersetzen und so das Englischlernen zu unterstützen, hat sich das British Council mit seinem Visual Dictionary zum Ziel gesetzt. Zu Fotos von Gegenständen gibt die App dank Abgleich mit einer Datenbank von über 40 Millionen Bildern das englische Wort inklusive Aussprache aus.
Library Extension ist eine Chrome Extension für Amazon, mit der die Verfügbarkeit von Buchtiteln in lokalen Bibliotheken geprüft wird. Analog dazu verweist das Browser Plugin Bookindy von Amazon auf den lokalen Buchhandel. Aus der digitalen Welt kann so also in die reale Welt vor Ort gelenkt werden. Ein Prinzip, das auch Booodl anwendet. In der App lässt sich eine digitale Einkaufsliste anlegen. Befindet sich ein gewünschter Artikel in einem Shop in der Nähe, so erhält die Nutzerin beziehungsweise der Nutzer eine Benachrichtigung.
Wie lassen sich Off- und Online sinnvoll verschmelzen?
Mit den vielfältigen Möglichkeiten gehen auch neue Herausforderungen einher: Abgesehen davon, dass die Technik nicht immer ausgereift ist, tut sich beim Schutz von Daten und Privatsphäre neuer Regelungsbedarf auf. Aber es gibt noch weitere Grenzen: Dass ein Zuviel an Digitalem überfordern kann, zeigt der Digital Detox-Trend – und auch er beinhaltet ironischerweise Beispiele dafür, wie Apps eingesetzt werden können, um das reale Leben frei vom Digitalen wieder genießen zu können.
Dieser Beitrag stellt eine kurze Übersicht dar, wie vielfältig die Möglichkeiten heutzutage sind, die digitale und reale Welt miteinander zu verschmelzen, und soll zu neuen Ideen anregen. Was von dem Genannten ist für Bibliotheken interessant? Da nicht alles, was technisch möglich ist, sinnvoll ist, lautet die zentrale Frage: Wie können echte Mehrwerte für Bibliotheksnutzerinnen und –nutzer geschaffen werden?
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