Science 2.0: Chance oder lästiges Übel?

by Olaf Siegert

Ein tiefgreifender Veränderungsprozess oder altes Denken mit neuen Tools? Wie sehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Auswirkungen von Science 2.0? Dieser Frage war ein Panel bei der Jahrestagung des VHB (Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft) gewidmet.

Die diesjährige Jahrestagung des VHB (Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft)  fand vom 27.-29.05.2015 an der Wirtschaftsuniversität Wien statt. Dabei trafen sich etwa 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, um sich über neueste Entwicklungen im Bereich der Betriebswirtschaftslehre auszutauschen.

Im Rahmen des Tagungsprogramms gab es ein von der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft organisiertes Panel zum Thema „Science 2.0 – Was bedeutet der Wandel in der Wissenschaft für die BWL?“. Unter der Moderation von Dr. Anna Maria Köck, Leiterin der Abteilung Soziale Medien der ZBW, ging es konkret um folgende Fragen:

  • Welche Rolle spielen Science 2.0 und die damit einhergehenden Änderungen für Forschende in der BWL?
  • Participation, Collaboration, Cooperation, Open Discourse – zeichnet sich ein neues Wertesystem in der Wissenschaft ab?
  • Science 2.0 in der Lehre: Notwendigkeit oder lästiges Übel?

Science20-Podium

 

Als Diskutanten auf dem Panel wirkten mit:

Prof. Dr. Ulrike Felt, Dekanin der Fakultät für Sozialwissenschaften und Vorständin des Instituts für Wissenschafts- und Technikforschung der Universität Wien

Dr. Albert Geukes, stellvertretender Leiter des CeDiS, des Centers für Digitale Systeme an der Freien Universität Berlin

Dr. Peter Kraker, Post-Doc am Know-Center der Technischen Universität Graz

Prof. Dr. Claudia Loebbecke, Leiterin des Instituts für Medien- und Technologiemanagement der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln

Dr. rer. pol. Helena Lovasz-Bukvova, Assistenzprofessorin am Institut für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien der Wirtschaftsuniversität Wien

Altes Denken mit neuen Tools?

Trotz der großen Konkurrenz von acht parallel stattfindenden Sessions und Workshops war das Interesse am Thema überraschend groß – über 50 Tagungsteilnehmerinnen und Teilnehmer bildeten das Auditorium des Panels.

Nach einer Einführung in das Thema Science 2.0 stellten die Panelists in einer ersten Fragerunde ihren Bezug zum Thema dar. Von einigen (Kraker, Geukes, Lovasz-Bukvova) wurden die mit Science 2.0 verbundenen Chancen akzentuiert (vor allem Open Science als Paradigma und die Möglichkeit einer transparenteren Wissenschaftskommunikation), während andere (Felt, Loebbecke) eher die Risiken des Ganzen betonten (Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen, Datenschutz als ungelöstes Problem).

Die nachfolgende Diskussion drehte sich stark um das Thema Wissenschaftsbewertung und die Frage, ob Science 2.0 hier einen Veränderungsprozess bewirkt oder eher nicht („altes Denken mit neuen Tools“). Zudem wurden die starken disziplinären Unterschiede und die unterschiedliche Technikaffinität verschiedener Wissenschaftsfächer herausgestellt. Darüber hinaus waren sich alle Panelists einig, dass die jeweiligen Fächerkulturen sich nur evolutionär und nicht von heute auf morgen ändern lassen.

An konkreten Auswirkungen der Digitalisierung auf die Wissenschaftskultur wurden vor allem zwei Punkte herausgearbeitet:

1. Die zunehmende digitale Verfügbarkeit großer Forschungsdatenmengen führt dazu, dass bei der Überprüfung von Hypothesen weniger auf Kausalität, sondern eher auf Korrelation gesetzt wird (z.B. in der Klimaforschung).

2. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verbringen heute weniger Zeit mit dem Lesen, lesen aber gleichzeitig mehr Papers. Dies führt zum Effekt des „effizienten Lesens“ mit der Nutzung von Indikatoren und Strukturen (Abstract/Conclusions) statt der Rezeption des gesamten Papers.

Science 2.0 in der Lehre

Der zweite Teil der Diskussion beschäftigte sich vor allem mit dem Thema „Science2.0 in der Lehre“. Dabei herrschte Übereinstimmung zwischen den Panelists, dass heutige Studierende zwar alle neuen Technologien nutzen, dabei aber nicht effizienter vorgehen als frühere Generationen (beispielsweise bei der Nutzung von Videokonferenzsystemen, oder dem digital unterstützten Projektmanagement). Wissenschaftliches Arbeiten als Kompetenz muss daher nach wie vor vermittelt werden.

Als boomendes Phänomen wurden MOOCs  angesehen, weil Lehrende damit viel mehr Personen erreichen können (Stichwort „Distant Learning“). Gleichzeitig können MOOCs Universitäten entwerten, weil man sich für seine wissenschaftliche Neugier nicht mehr einschreiben muss. Universitäten kommen in diesem Szenario erst dann ins Spiel, wenn man einen Abschluss braucht oder sich beruflich spezialisieren will.

Fazit

Insgesamt eine sehr informative Veranstaltung, bei der sich auch das Publikum aktiv in die Diskussion einbrachte. Dabei drehte sich die Diskussion naheliegenderweise vor allem um den Aspekt des Managements fertiger Forschungsergebnisse, weniger um Aspekte wie kollaboratives Arbeiten (GoogleDocs, Videokonferenzen etc.). Zudem waren viele Aussagen eher interdisziplinärer Natur und weniger konkret auf die BWL bezogen. Da das Interesse am Thema Science 2.0 allerdings bei weitem noch nicht erschöpft scheint, könnten diese offenen Punkte gut auf einer der nächsten VHB-Tagungen adressiert werden.

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