Beluga 3.0: Interview zum neuen Katalog der Stabi Hamburg
Seit dem 8. April 2015 ist beluga der neue Katalog der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg online. Die Rechercheplattform begann ihre Entwicklung schon früh, im Jahr 2007, und wurde zu so etwas wie dem Vorzeigeprojekt in Sachen Katalog 2.0.
Standen zunächst soziale Faktoren wie Tagging und Kommentare durch Nutzer im Vordergrund, lief die Entwicklung in vergangener Zeit eher Richtung Usability und Komplexitätsreduktion. Der neue beluga-Katalog trägt nun die Versionsnummer 3.0. “In diese Version sind zahlreiche Verbesserungen, Optimierungen und Erweiterungen eingeflossen, die wir in den letzten Monaten durchgeführt haben”, heißt es dazu im Blog.
Wir haben den Launch der überarbeiteten und aufgebohrten Plattform als Anlass genommen, uns bei der Stabi über die Hintergründe des Projekts zu informieren. Dazu stand uns Dr.-Ing. Jan Frederik Maas Rede und Antwort. Er ist Fachreferent für Informatik und arbeitet bei der Stabi an den Themen IuK-Technik, Digitale Bibliothek und Entwicklung.
Hi Jan, danke, dass du dir Zeit nimmst. Erst einmal Glückwunsch zum Launch von beluga 3.0 – der Katalog macht einen klasse Eindruck! Was waren die größten Herausforderungen bei der Umsetzung?
Vielen Dank! Der Launch war ganz schön aufregend und wir freuen uns natürlich um so mehr, wenn es euch gefällt! Um deine Frage zu
beantworten: beluga ist ein konsortialer Katalog für die wissenschaftlichen Bibliotheken Hamburgs. Ein ganz besonderes Feature war von Anfang an die so genannte Gesamtsuche, mit der man in allen Beständen der beteiligten Bibliotheken gleichzeitig suchen kann. Außerdem war es uns besonders wichtig, dass man zwar gezielt in den Beständen einer einzelnen Bibliothek recherchieren kann, aber immer auch sieht, ob ein gerade vor Ort nicht verfügbares Buch z.B. in der Bibliothek zwei Straßen weiter ausleihbar im Regal steht oder sogar als E-Book vorhanden ist. Auf diese Weise hoffen wir, dass die Nutzung gerade von kleineren Bibliotheken oder Spezialbibliotheken verbessert wird.
beluga 3.0 bietet als wichtigstes neues Feature die Suche nach mehreren Millionen lizensierten elektronischen Aufsätzen. Die Metadaten werden uns von Ex Libris über den Primo-Central-Index zur Verfügung gestellt. Die gefundenen Artikel kann man dann über den SFX-Linkresolver direkt aufrufen. Die größte Herausforderung für uns bestand darin, den neuen Index und SFX so zu integrieren, dass die grundsätzliche Idee und Nutzerführung von beluga erhalten blieb – also sowohl die Gesamtsuche zu erhalten als auch ein Konzept dafür zu entwickeln, wie man die elektronischen Bestände der beteiligten Bibliotheken parallel darstellt.
Viel konzeptionelle Unterstützung haben wir von dem Projektseminar
“beluga – den Katalog neu denken” von der HAW Hamburg unter der Leitung von Prof. Ursula Schulz erhalten. Trotzdem war auch mit einer so guten Vorlage die technische Umsetzung alles andere als einfach und auch für unseren Dienstleister Ex Libris eine neue Herausforderung. Darum sind wir aber jetzt auch besonders stolz, dass wir unser Ziel erreicht haben.
Toll war auch die Zusammenarbeit der beteiligten Bibliotheken. So ein Projekt über Organisationsgrenzen hinweg zu realisieren, ist doch sehr herausfordernd, vor allem wenn es um komplexe Thematiken wie die Einführung eines neuen Linkresolvers und Abstimmungen bei der Katalogisierung geht. Aber die Kolleginnen und Kollegen haben uns dabei mit viel Energie unterstützt.
Beluga 3.0 wurde auch und gerade in Hinsicht auf Usability optimiert. Woran merkt man das in der Praxis?
beluga wurde seit Projektbeginn unter Berücksichtigung der Usability entwickelt und wiederholt evaluiert. Insofern sind in 3.0 keine großen Verbesserungen zu finden, aber dafür zahlreiche kleine. So wurde die Darstellung der Elemente zur besseren Lesbarkeit an einem gedachten Raster ausgerichtet, verschiedene Knöpfe haben sinnvollere Bezeichnungen und Tooltips erhalten, und die Startseite wurde so gestaltet, dass der Suchschlitz deutlich sichtbarer ist und die Zwei-Listen-Darstellung auf der Startseite vorweg genommen wird. Weiterhin hatten wir in der Vorgängerversion sowohl eine Merkliste für das kurzfristige Merken als auch eine “Speichern”-Funktion. Das hat viele Nutzerinnen und Nutzer verwirrt. Daher haben wir diese Funktionen auf das “Merken” mit anschließender Speichermöglichkeit reduziert. Stark aufgeräumt wurde auch das facettierte Browsing. So ist der Filter nach Bibliothek hinter einem Klappmenü verschwunden, was den anderen Facetten viel Platz verschafft und sie übersichtlicher darstellbar macht.
Die wichtigste Frage, die in Bezug auf die Usability zu klären war, war natürlich die Darstellung von Suchergebnissen aus zwei verschiedenen Indexen (GBV Discovery für die klassische Suche, Primo Central für die Suche nach E-Artikeln). Im Rahmen des Projektseminars wurden drei Ansätze verglichen: Die integrierte Darstellung, die parallele Darstellung, und die Zwei-Listen-Darstellung. Wir haben uns aus technischen Gründen für die Zwei-Listen-Darstellung (“Reiterlösung”) entschieden. Diese ist von der Usability her nicht schlechter als die anderen Ansätze, sofern man durch Gestaltungselemente sehr deutlich macht, dass noch eine weitere Ergebnisliste existiert.
Das sind noch nicht alle Verbesserungen, aber zumindest ein paar wichtige. Ich kann bei Interesse sehr empfehlen, die beiden Berichte des HAW-Projektseminars zu diesem Thema zu lesen. Leider sind diese nicht online verfügbar. Ich darf sie aber auf Anfrage per Mail herausgeben.
Gibt es bereits Feedback der Nutzer und wie geht ihr die – vielleicht kontinuierlich stattfindende – Evaluation an?
Das Feedback der Nutzer hält sich ehrlich gesagt bisher in Grenzen. Allerdings zeigen die Webstatistiken, dass beluga schon gut genutzt wird. beluga ist ja auch seit kurzem der offizielle Hauptkatalog der Staatsbibliothek Hamburg, weswegen zahlreiche Suchanfragen alleine aus unserem Haus bei uns eingehen.
Wir wollten in Kürze mit unseren Nutzerinnen und Nutzern in Kontakt treten, indem wir einen entsprechenden Stand in dem Foyer der Staatsbibliothek aufbauen und das direkte Gespräch suchen. Das haben wir in der Vergangenheit bei anderen Projekten (z.B. unserer neuen Website) schon so getan und immer wertvolles Feedback erhalten.
Eine weitere Usability-Studie ist noch nicht terminiert, aber schon angedacht. Allerdings wollen wir bis dahin noch etwas Zeit vergehen lassen, so dass wir mögliche Kinderkrankheiten der neuen Version beseitigen können und uns und den Nutzerinnen und Nutzern die Möglichkeit geben, sich mit beluga zu beschäftigen.
Ihr bietet eine Nutzerkontenverwaltung und damit Personalisierungsmöglichkeiten an. Welche sind das im Detail?
Die Nutzerkontenverwaltung ist noch rudimentär. Nutzerinnen und Nutzer können sich ein Konto anlegen, dort Literatur dauerhaft in Literaturlisten ablegen, Tags vergeben und die gespeicherte Literatur zitieren bzw. exportieren lassen. Die Nutzerkonten sollen aber zukünftig sehr wichtig werden. Wir experimentieren z.B. mit der Funktion, das beluga-Konto mit lokalen Bibliothekskonten zu verknüpfen. Auf diese Weise können Nutzerinnen und Nutzer über beluga auf Services ihrer jeweiligen Bibliothek zugreifen und sich so zum Beispiel die ausgeliehenen Medien anzeigen lassen oder Literaturlieferdienste in Anspruch nehmen.
Gibt es schon Gedankenspiele zu einem beluga 4.0? Welche Features könnten künftig hinzukommen?
Die beiden wichtigsten noch kurzfristig ausstehenden Features sind das mobile (= fluide) Design und die Ausleihe/Vormerkung von Büchern direkt in beluga. Das fluide Design wurde Mitte April in einer Testversion fertiggestellt. Wir wollen es noch in Ruhe optimieren, aber in absehbarer Zeit sollen dann auch Nutzerinnen und Nutzer von Smartphones und Tablets auf angenehme Weise in beluga recherchieren können.
Die Verknüpfung der Ausleihfunktionen der jeweiligen Kataloge an beluga würde dafür sorgen, dass man beluga bei der Nutzung an keiner Stelle mehr verlassen muss. Aktuell führt zum Beispiel ein Klick auf einen “Vormerken”-Link noch dazu, dass man in dem jeweiligen lokalen Katalog landet, was natürlich sehr unschön ist. In unserem Entwicklungssystem haben wir die Ausleihfunktionen bereits in beluga integriert. Das Problem ist aber, dass die Einrichtung und vor allem auch die Nutzung der entsprechenden technischen Schnittstellen, seitens der Verbundzentrale kostenpflichtig ist. Und da beluga ein Konsortialsystem ist, das die Staatsbibliothek für zahlreiche Bibliotheken in Hamburg in den Grundfunktionen kostenfrei zur Verfügung stellen will, ist das für uns problematisch. Wir hoffen aber, uns mit der Verbundzentrale einigen zu können, zumal ohne die sehr engagierte Unterstützung der Verbundzentrale beluga in der vorliegenden Form nicht möglich gewesen wäre.
Mittelfristig werden wir noch weitere Inhalte in beluga integrieren bzw. die E-Artikelsuche sowohl inhaltlich als auch um eine bibliografische Suche erweitern. Ein wichtiges Thema ist auch die Darstellung von Sacherschließungsinformationen. So wäre ein thematisches Browsing nach der Regensburger Verbundklassifikation toll, da einige Bibliotheken diese als Aufstellungssystematik nutzen. Außerdem wollen wir wieder Schnittstellen zu E-Learningsystemen wie Moodle, CommSy oder OLAT anbieten, so dass Literaturlisten mit wenigen Mausklicks exportiert werden können.
Auf ganz lange Sicht fände ich persönlich eine beluga-App großartig, die einem sowohl auf einer Hamburg-Karte als auch innerhalb einer Bibliothek den schnellsten Weg zu dem gewünschten und verfügbaren Buch anzeigen würde. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
§Teaserbild: Flickr – Torrey Wiley (CC BY 2.0)
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