Das Google-Paradoxon: Es geht nicht mit, es geht nicht ohne
Es gibt in diesen Tagen kein besseres Beispiel für den Gefühlsmix aus Panik und Orientierungslosigkeit in der Medienbranche – als Belgien: dabei ist alles so gekommen, wie es gewünscht war. Doch von Anfang an…
Alles begann im Jahr 2006, als sich einige belgische Verlagshäuser auf die Hinterbeine stellten. Der Vorwurf richtete sich gegen Google und die Vorgehensweise der Suchmaschine, Nachrichten-Content unter dem Menüpunkt “News” einzupflegen. Nutzer bekommen hier eine Übersicht über die aktuelle Nachrichtenlage. Die News werden durch Headlines und zwei, drei Sätze angeteasert, ein Klick auf den jeweiligen Link bringt den Nutzer zum eigentlichen Nachrichtenangebot. Was daran verwerflich ist? Nun, Google “vermarktet” diese sogenannten News-Snippets, indem an einigen Stellen Werbung eingeblendet wird. Die hier generierten Einnahmen behält die Suchmaschine für sich; sämtliche Versuche der Verleger, einen Teil des Kuchens für sich zu beanspruchen, wurden bislang nicht beachtet.
Genau das ging den Verlagshäusern gegen den Strich, weshalb der belgische Zeitungsdachverband Copiepresse Klage wegen des Diebstahls geistigen Eigentums einreichte. Die Gerichte brauchten rund fünf Jahre, um eine Entscheidung zu fällen, dann – im Mai 2011 – war es endlich soweit: Google wurde untersagt, weiterhin auf News-Seiten zu verweisen. Sollte dies wider Erwarten dennoch geschehen, sei das Unternehmen verpflichtet, 25.000 Euro pro Snippet an die Verlage zu zahlen.
Google fackelte nicht lange und warf sämtliche Nachrichtenseiten der klagenden Verlage aus dem Index – und zwar aus dem News-Segment wie auch aus der ordinären Suche. Am Wochenende war es dann so weit: Das Geschrei der düpierten Unternehmen ist bis jetzt unüberhörbar. “Boykott”, polterte da etwa die Zeitung “La Capitale” und auch andere Medien üben sich in Empörung. Der Anteil des Traffics, den die Zeitungen über die Suchmaschine bislang bezogen, muss beachtlich bis überlegenswichtig gewesen sein…
Dabei hat Google alles richtig gemacht. Der Urteilstext war so allgemein gehalten, dass zwischen “Suche” und “News-Segment” gar nicht differenziert wurde. Die Suchmaschine spricht sich jedenfalls von allen Anschuldigungen frei: “Es tut uns leid, dass wir so handeln mussten. Wir hätten ja auch kein Problem damit, Copiepresse wieder aufzunehmen, wenn dort die Absicht bestünde, dass man in der Google-Suche wieder auftauchen möchte und die Strafandrohungen fallen gelassen würden”, sagte Google-Sprecher William Echikson. Das dazugehörige Lächeln des Mr. Echikson möge sich der geneigte Leser recht breit vorstellen.
Google hat die Muskeln spielen lassen und einmal mehr gezeigt, dass man sich als Medienunternehmen mit der Suchmaschine nur arrangieren kann. Google ist ein viel zu wichtiger Partner in Sachen News-Distribution, auf den heute kein Verlagshaus mehr verzichten kann (auch, wenn mittlerweile immer mehr Nachrichtenseiten in Social Networks empfohlen werden). Ich zitiere dazu Gulli, bei denen die Story ebenfalls aufgetaucht ist:
Bedauerlicherweise ist nicht bekannt, für wie viele Zugriffe bei den Verlagswebsites man verantwortlich ist. Es dürfte jedoch ein beachtlicher Anteil sein, der auch wirtschaftlich relevant ist. Ansonsten hätte man geschwiegen. Das hart erfochtene Urteil wird somit zu einer Retourkutsche für die Zeitungsverlage. Vermutlich hatten diese erwartet, dass Google eine Bezahlung für die Inhalte anbietet. Genau das Gegenteil war jedoch der Fall.
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