Digital Natives bleiben draußen: Wie lernen Studierende mit Digitalen Medien?

In die Studie “Lernen mit Digitalen Medien aus Studierendenperspektive” des Hochschulforums Digitalisierung, veröffentlicht im März 2016, flossen die Rückmeldungen von über 27.000 Studierenden ein. Diese stammten aus elf untersuchten Fächern (Geografie, Geowissenschaften, Informatik, Mathematik, Medizin, Pflegewissenschaft, Pharmazie, Physik, Politikwissenschaft, Sport und Zahnmedizin) an 153 Hochschulen in Deutschland.

“Lernen mit Digitalen Medien aus Studierendenperspektive”, Sonderauswertung aus dem CHE Hochschulranking für die deutschen Hochschulen

PDF-Nutzende, E-Prüflinge, Videolernende, Digitale Allrounder

Ein Ergebnis der Studie war die Abgrenzung von vier unterschiedlichen Nutzertypen. Die sogenannten “PDF-Nutzenden” machten unter den Befragten die größte Gruppe (30%) aus. Sie setzen vor allem auf klassische digitale Medien, wie beispielsweise Texte im PDF-Format, digitale Präsentationstools, E-Mail und fachspezifische Datenbanken. Die “E-Prüflinge” setzen neben den klassischen digitalen Medien auch sehr stark E-Assessments und E-Prüfungen ein. Sie unterscheiden sich von den anderen Nutzergruppen dadurch, dass sie vermutlich einer bestimmten Hochschule bzw. Fakultät angehören, an der E-Prüfungen durchgeführt werden, zu denen sie verpflichtet sind. “Videolernende” nutzen neben den klassischen digitalen Medien vor allem stark multimediale Lerneinheiten, also Audio, Video und Tutorials. Einzig die “Digitalen Allrounder” nutzen eine breite Palette und damit alle Medienformen ausgewogen und im Vergleich zu den anderen drei Nutzertypen besonders stark: klassische digitale Medien, (soziale) Kommunikationstools, E-Assessments, multimediale Lerneinheiten sowie interaktive Tools/Formate.

Die Nutzung digitaler Medien unterscheidet sich zwischen den Studienfächern deutlich. Zumindest zeigt sich, dass sich bestimmte Nutzertypen in einem Teil der Studienfächer gehäuft antreffen lassen. So finden sich die digitalen Allrounder und die Multimedianutzenden besonders oft in der Informatik, E-Prüflinge hingegen besonders in den medizinischen Studienfächern. Alles in allem wird das Bild von Studierenden dominiert, die in erster Linie klassische digitale Medien und nur punktuell modernere digitale Formate für ihr Lernen einsetzen.

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Studierende sind keine Digital Natives – zumindest nicht an der Hochschule

Das Bild von heutigen Studierenden als “Digital Natives” erscheint damit, zumindest bezogen auf den Kontext des Studiums, haltlos. Zwar werden privat vielfältige digitale Kommunikations- und Informationstools eingesetzt, in die Hochschulen wird davon aber nur wenig getragen. Und dies ist auch unabhängig vom Alter der Studierenden, denn deren Nutzungsverhalten unterscheidet sich quasi nicht, egal ob es sich um jüngere oder ältere Studierende handelt. Das in der Studie gezeichnete insgesamt eher konservative Bild vom Verhalten der Studierenden liegt allerdings weniger an den Studierenden selbst als vielmehr an dem Angebot und den Anforderungen der Hochschulen, die sich deutlich voneinander unterscheiden. Die konkrete Ausgestaltung der Lehre an den einzelnen Hochschulen hat einen deutlichen Einfluss darauf, wie groß die Vielfalt von Studierenden genutzter digitaler Medien ist. Wenn Dozentinnen und Dozenten digitale Medien in der Lehre einsetzen, werden sie von den Studierenden genutzt, so zeigt die Studie. Allerdings scheinen digitale Medien nicht zu den zentralen Bestandteilen der Lehre an vielen Hochschulen zu zählen, sondern werden eher punktuell eingesetzt. Insofern scheint das Mediennutzungsverhalten der Studierenden vom Digitalisierungsgrad der Lehre beziehungsweise von der obligatorischen Nutzung digitaler Angebote abhängig zu sein. Darauf deutet das starke Gefälle zwischen Hochschulen in denselben Fächern hin.

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Genutzt wird, was die Dozierenden pushen

Da Studierende überwiegend ergebnisorientiert handeln, nutzen sie digitale Medien, die im Rahmen ihrer aktuellen Lehrveranstaltungen vorgesehen und in der Regel hinreichend für das Erreichen des Leistungsziels sind. Dabei handelt es sich nach derzeitigem Stand aber überwiegend um klassische Medien. Insofern ergibt sich zumeist für Studierende keine Notwendigkeit, aktiv weitere Lernquellen zu suchen. Zudem besteht die Schwierigkeit, zu beurteilen, inwiefern Online-Lernmedien mit der inhaltlichen Struktur der eigenen Lehrveranstaltung übereinstimmen. Die Studienergebnisse deuten zudem darauf hin, dass den Studierenden nicht vollumfänglich bewusst ist, welche Vorteile digitale Medien bieten können.

Alleine mit der Verfügbarmachung digitaler Medien ist also noch nicht für ihre Nutzung gesorgt. Das schon umfangreiche online frei verfügbare Angebot an digitalen Lernmedien hat noch nicht zu einer Annahme durch Studierende geführt. Nur eine aktive und verbindliche Einbindung von digitalen Medien in die Lehre führt zu ihrer zuverlässigen Nutzung durch Studierende. Den Dozentinnen und Dozenten kommt somit eine wichtige Scharnierfunktion bei der Erhöhung des Digitalisierungsgrades der Lehre zu. Es obliegt ihnen, sowie den Hochschulleitungen, die Nutzung des digitalen Angebotes zu pushen.

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Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem "Open Economics Guide". (Porträt: Copyright

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