Bürger in der Forschung: Die Citizen Science Strategie 2020 für Deutschland

Beim Forum Citizen Science am 16. März 2016 in Berlin präsentierte die Citizen Science Plattform “Bürger schaffen Wissen (GEWISS)” das Grünbuch “Citizen Science Strategie 2020 für Deutschland”.

Professor Kleiner, Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, und Dr. Georg Schütte, Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, thematisierten beide die wachsende Bedeutung bürgerschaftlichen Engagements in der Forschung und sahen in Citizen Science eine vielversprechende Methode, wissenschaftliche Exzellenz und bürgerschaftliche Akzeptanz von Forschung in Einklang zu bringen.
Professor Kleiner betonte, wie nah Citizen Science dem Selbstverständnis der Leibniz-Gemeinschaft sei, und Staatssekretär Schütte kündigte eine Förderrichtlinie für Citizen Science an.

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Der Weg zum Grünbuch

Dem GEWISS-Konsortium ist es in rund zwei Jahren bei einer bundesweiten Beteiligung von über 700 an Citizen Science interessierten Personen aus mehr als 350 Organisationen gelungen, das Thema Citizen Science im wissenschaftspolitischen Dialog zu verankern. Aus zehn Dialogforen, eins davon zu Datenqualität, Datenmanagement und rechtliche Aspekte in Citizen Science in der ZBW in Hamburg, wurden Beiträge zur Entwicklung der Visionen und Handlungsoptionen für das Grünbuch zusammengeführt und in einer bundesweiten Online-Konsultation im Herbst 2015 sowie durch 53 Positionspapiere von verschiedenen Organisationen aus Wissenschaft und Gesellschaft erörtert. Begleitet wurde der gesamte Entwicklungsprozess des Grünbuchs vom GEWISS-Beirat, dem ZBW-Direktor Klaus Tochtermann angehört.

Grünbuch für eine Citizen Science Strategie 2020 für Deutschland

Das Grünbuch formuliert mehr als 50 Handlungsoptionen und fokussiert dabei auf die Stärkung bereits etablierter Strukturen und Rahmenbedingungen, der Schaffung neuer Strukturen und Rahmenbedingungen und der Integration in bestehende Konzepte. Es richtet sich vor allem an Akteure im Wissenschaftssystem und der Wissenschaftspolitik wie Forschungseinrichtungen und Förderorganisationen. Schwerpunkte werden bei den Handlungsoptionen vor allem auf die weitere Kommunikation über Citizen Science und eine Anerkennungskultur, die Etablierung von Förderinstrumenten, das Datenmanagement und die Integration der Methode in Wissenschaft und Bildung gesetzt.

Das Grünbuch stellt einen wichtigen Meilenstein für die Debatte um Citizen Science in Deutschland dar. Es bietet eine Definition von Citizen Science an und unternimmt dabei den Versuch, es von Wissenschaftskommunikation und Wissenstransfer abzugrenzen. Im Fokus steht dabei die aktive Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern im gesamten Forschungsprozess. So reicht das Spektrum von der Beteiligung bei der Datenerhebung in der Umweltforschung bis zur Beteiligung bei der Erarbeitung von Antworten auf Forschungsfragen auf globale Herausforderungen wie etwa beim YES! – Young Economic Summit.

Zukünftige Herausforderungen

Die größten Herausforderungen in Deutschland sind ein fehlender klarer rechtlicher Rahmen, etablierte Methoden zur Sicherung der Datenqualität, sowie Infrastrukturen zur Speicherung und vor allem Vernetzung der verschiedenen Datensätze. Darüber hinaus ist die Akzeptanz von Citizen Scientists seitens der Forschenden eine sehr große Herausforderung, der am besten durch eine neue Anreizstruktur für Forschende begegnet werden kann. Die öffentliche Konsultation der Europäischen Kommission zu “Science 2.0: Science in Transition” belegt sehr gut, dass Citizen Science für Forschende derzeit kaum ein Thema zu sein scheint. Es mangelt an Anreizen für Forschende, Citizen Science-Projekte durchzuführen. Stellen sich ihnen zurzeit noch Fragen wie: Was ist der Mehrwert für einen selbst und was bringt es für die wissenschaftliche Karriere? Dies gilt erst recht für Disziplinen, in denen Citizen Science noch nicht intensiv angewendet wird. Förderlinien speziell für Citizen Science-Projekte, wie die von Staatssekretär Schütte angekündigte, könnten helfen, die Methodik in verschiedenen Disziplinen zu etablieren. Es bleibt abzuwarten, ob nur Forschungseinrichtungen diese Fördermittel beantragen können oder auch die Citizen Scientists selbst. Es wäre wünschenswert, wenn hierüber eine wissenschaftspolitische Diskussion geführt würde, denn es gibt durchaus eine größere Zahl an Initiativen, die von Bürgerinnen und Bürgern betrieben werden und weniger von Forschenden. Wichtig für die Förderlinien wird darüber hinaus sein, sich den Spannungsbogen zwischen wissenschaftlicher Exzellenz und gesellschaftlicher Relevanz vor Augen zu führen.

Des Weiteren wird es in Zukunft wichtig sein, keine zu hohen Erwartungen an die Forschenden zu stellen. So sehen wir etwa eine intensive Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern bereits in der Phase der Bestimmung von Forschungsschwerpunkten als weniger wichtig an, weil dadurch schnell eine hohe Erwartungshaltung auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger entsteht, dass die Forschenden Lösungen für gesellschaftsrelevante Themen liefern sollen. Forschung liefert aber durchaus auch wichtige Erkenntnisse, die nicht gleich als Lösung für gesellschaftliche Herausforderungen gesehen werden können. Es wird wichtig sein, diese Diskrepanz von Anfang an mit zu berücksichtigen.

Schließlich stellt sich die Frage nach der Messbarkeit von Citizen Science. Je mehr die Methode sich in der Wissenschaft verankert, desto lauter werden die Stimmen aus der Wissenschaftspolitik werden, Indikatoren für Citizen Science zu entwickeln. Es sollte darauf geachtet werden, dass sich Citizen Science in Deutschland in einem sehr frühen Stadium befindet und Relevanzkriterien derzeit nur schwer auszumachen sind. So gilt es zu gewichten, ob wissenschaftliche Exzellenz im Vordergrund steht oder gesellschaftliche Relevanz. Hier bedarf es gegebenenfalls neuer Indikatoren. Zurzeit erscheinen daher in einem ersten Schritt nur quantifizierende Indikatoren sinnvoll zu sein. Außerdem sollte die sozialwissenschaftliche Forschung zur gesellschaftlichen Relevanz von Citizen Science verstärkt werden.

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