„Partnervermittlung“ als Aufgabengebiet? Bibliotheken und die „Tinderisierung“
Apps wie Tinder zeigen, wie sich Kontaktsuchende schnell zusammenführen lassen. Auch außerhalb der Dating-Welt nutzen Anbieter das Prinzip für sich und bringen Personen mit übereinstimmenden Interessen einfach zusammen, beispielsweise damit sie gemeinsam lernen können. Sollten Bibliotheken auf den Wunsch nach „schnellen Kontakten“ reagieren?
Tinder ist eine 2012 veröffentlichte mobile App, die die schnelle Suche nach Kontakten vor Ort in einem selbst definierten Umkreis unterstützt. Zur Nutzung von Tinder ist die Verknüpfung mit einem Facebook-Konto notwendig. Denn seine Matchmaking-Funktion, die hilft, passende Profile zu identifizieren, beruht weitgehend auf Facebook-Daten. Innerhalb von Sekunden entscheiden die Nutzerinnen und Nutzer dann meist anhand des ersten Fotos, ob sie jemanden attraktiv finden oder nicht. Bei einer Übereinstimmung können beide per Chat Kontakt aufnehmen. Allein in Deutschland sind ungefähr zwei Millionen Nutzerinnen und Nutzer bei Tinder registriert. Die Instant-Partnersuche wird auch durch eine Reihe anderer Apps ermöglicht, die den „klassischen“ Dating-Markt aufmischen.
„Partnervermittlung“ jenseits von Flirts und Dates
Dabei beschränkt sich die Anwendung der Matchmaking-Funktion keinesfalls auf dieses Anwendungsfeld. Voneinander zu lernen oder neue Anregungen zu erhalten, ist das Grundmotiv, das eine Vielzahl von Anwendungen unterstützt:
• „Shared Meals“, also Kontakte über gemeinsame Mahlzeiten, werden von einer ganzen Reihe von Services vermittelt.
• Die App Wakie erfindet den Wecker neu, indem sie nach dem Zufallsprinzip Fremde für Weckanrufe am Morgen zusammenführt.
• Die Delta Airlines Innovation Class ist ein Mentoring-Programm hoch oben in der Luft. Über die Website können Mentoren gewünscht und Plätze neben Mentoren im Flugzeug gebucht werden.
• Lifetramp lädt dazu ein, etwas Neues auszuprobieren. Dafür vermittelt es den Kontakt zu Mentoren, die einen Tag begleitet werden können, um einen inspirierenden Einblick in ihr Leben und ihre Tätigkeit zu bekommen.
• Die CNA Language School vermittelt mit Speaking Exchange den Austausch zwischen Englischlernern und Senioren, die sie im Tandem beim Erlernen der Sprache fördern.
• Contaxt ist eine App von XING, die Kontakte zwischen den Teilnehmenden einer Veranstaltung unterstützt.
Neue Apps, neue Gewohnheiten
Sieht man einmal von der Art der vermittelten Kontakte ab, so ist ihnen allen gemein, dass sie „Matches“ erstellen zwischen Personen, und diesen eine möglichst einfache Kontaktaufnahme ermöglichen möchten. Wer passt aufgrund seiner (Lern-)Interessen, der Art zu arbeiten oder Ähnlichem zusammen? Wer möchte sich austauschen?
Apps wie Tinder könnten bewirken, dass sich das Nutzungsverhalten und die Erwartungshaltung von Bibliotheksnutzerinnen und –nutzern verändern. Alles muss möglichst sofort sein, auch die Kontakte. Menschen haben das Bedürfnis sich mit anderen Menschen zu vernetzen, online wie offline. Und eine Unterstützung durch Online-Tools bei der Anbahnung vor Ort könnte zunehmend erwartet werden – oder zumindest als Mehrwert wertgeschätzt werden.
Grenze zwischen Off- und Online überwinden
Insbesondere Apps wie Contaxt und Tinder überwinden die Grenzen zwischen lokalem, physischem Raum und Online-Welt und helfen dabei, vor Ort, sozusagen „hyperlokal“, die Menschen miteinander zu verbinden. Andererseits vereinfachen sie es, Vor-Ort-Kontakte online weiterzuführen.
Spayce, das sich zunächst auf US-amerikanische Hochschulen konzentriert, treibt dieses Prinzip auf die Spitze, indem es nur Kontakte in einem Radius von 100 Metern zusammenbringt. Den Personen vor Ort wird gezeigt, wer anwesend ist und was dort los ist. Es möchte dazu beitragen, gemeinsam mit alten oder neuen Bekannten den Moment „festzuhalten“ und mit einem Ort verbundene Erinnerungen zu teilen.
Dieses Prinzip könnten sich Bibliotheken als Orte des Lernens und der Begegnung zunutze machen und auf ihre Standorte und Plattformen übertragen. Sie könnten auch Begegnungen ihrer Nutzerinnen und Nutzer aktiv fördern und diese somit noch stärker an sich binden.
Matchmaking durch Bibliotheken?
Eine „Tinderisierung“ von Bibliotheken könnte einen Mehrwert für ihre Nutzerinnen und Nutzer schaffen, indem es ihnen interessante „Instant-Kontakte“, basierend auf entsprechenden Matchmaking-Kriterien, vermittelt. Wie könnte ein solches „Tinder für Bibliotheken“ aussehen?
• Es könnte beispielsweise wie eine Art auf den lokalen Standort begrenztes „Spayce“ funktionieren,
• Studierende zu Lernteams zusammenführen,
• Kontakte bei einer Veranstaltung vor Ort anzeigen, zum Beispiel um interessante Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler persönlich bei einer Konferenz zu treffen,
• passende Kontakte anhand vorhandener Kenntnisse oder des Interessens- oder Fachgebiets vermitteln.
Kennen Sie möglicherweise entsprechende Anwendungen aus Bibliotheken bereits?
→Autorin: Birgit Fingerle (ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft; Soziale Medien, Stabsstelle Innovationsmanagement)
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