Wie die Deutsche Bahn auf Twitter landete: Zehn Tipps für Einsteiger im Social Web

Heute Morgen, Punkt sechs Uhr, war es soweit: die Deutsche Bahn (@db_bahn) ist ab sofort auf Twitter vertreten. Ich war während der Vorbereitungsphase ein wenig in die geschlossenen Tests involviert und habe an anderer Stelle bereits über meine Bewertung des doch recht mutigen Schritts geschrieben. Hier soll es im Folgenden aber eher um die praktischen Ansätze gehen; immerhin könnten auch andere Twitter-Neulinge von der konkreten Vorgehensweise lernen. Dass es sich hierbei um ein Schienenverkehrsunternehmen handelt – geschenkt. Die Deutsche Bahn hat bei der Entwicklung der Strategie übrigens eng mit der Telekom zusammengearbeitet. Im Grunde geht es immer um dieselbe Frage: Wie kann ich mit dem Service näher an die Kunden rücken? Uns interessiert hier nun der Ablauf vom Entschluss bis zur Umsetzung, was in diesem Fall rund sechs Monate gedauert hat.

1. Der Entschluss
Am Anfang stand der Entschluss, auf Twitter loszulegen. Genaugenommen war die Deutsche Bahn schon immer auf der Plattform vertreten, allerdings eher in den Kritik-Tweets ihrer Kunden. Mit einer eigenen Präsenz bekommt man die Möglichkeit, Lob und Kritik zentral zu verwalten, gebündelt Marktforschung und Marketing zu betreiben und den Diskurs als Moderator mitzusteuern.

2. Zieldefinition
Die Bahn hat ziemlich klare Ziele formuliert, was mit dem neuen Twitter-Account zu geschehen hat: es soll ein reiner Support-Kanal für Kunden werden, um das Ohr näher beim Kunden zu haben. Nicht mehr, nicht weniger.

3. Interne Lobbyarbeit
“80 Prozent meiner Arbeit waren interne Lobbyarbeit”, sagte mir Projektleiter Daniel Backhaus von der Deutschen Bahn. Das könnte einem doch bekannt vorkommen. Naturgemäß sind vor dem Schritt ins Social Web einige dicke Bretter zu bohren – zumal in Einrichtungen, die auf eine stolze Offline-Tradition zurückblicken. “Wir wollen etwas auf Twitter machen”, ist schwer zu vermitteln, wenn die geldgebenden Stellen im Unternehmen noch nicht einmal eine Vorstellung davon haben, was Twitter ist, geschweige denn, wozu es gut ist. Daher muss es erst einmal intern eine breite Vermittlung von allgemeinem Social Media-Wissen geben.

4. Teamaufstellung
Die Bahn hat das Twitter-Team nicht nach Qualitäten wie Netzaffinität oder sonstigen Vorbelastungen im Social Web zusammengestellt. Tonangebender Faktor bei der Suche passender Mitarbeiter war nach eigenem Bekunden die “Empathie”. Die Kollegen müssen sich gut auf Kunden einlassen können, die Tonality erspüren und entsprechend reagieren: “Toll, wie ihr das macht!” kann sowohl Lob als auch Kritik bedeuten. Feingefühl ist ein Muss. Auf diese Weise wurden Mitarbeiter aus den verschiedensten Stellen des Konzerns rekrutiert (insgesamt zwölf), was gleichzeitig den Vorteil hat, dass es für fast jedes Gebiet Spezialisten im Team gibt.

5. Lernen, zu improvisieren
Die heterogene Gruppe musste geschult werden. Die Technik ist dabei nur ein kleiner Teil des Ganzen. Wie kann man sich möglichst unmissverständlich ausdrücken? Wann soll ich überhaupt antworten? Die Bahn hat einen 120-seitigen Leitfaden für das Team veröffentlicht, der kein starrer Regelkatalog ist, sondern den Rahmen absteckt, in dem improvisiert werden kann. Gleichzeitig lernten alle Beteiligten, dass die kommende Aufgabe eine ganz besondere Komponente haben wird: sie stehen mit Namen und Bild als haptisch greifbare Person in der Öffentlichkeit. Auch das muss trainiert werden (zumal bei der Bahn, deren Kunden erfahrungsgemäß nicht mit emotionaler Kritik geizen).

6. Alle ins Boot holen
Wer sind wir und was dürfen wir hier überhaupt machen? Diese Frage muss beantwortet werden. Die Bahn hat intern alle Stellen über die Twitter-Pläne unterrichtet, so dass konzernweit alle informiert waren. Engere Absprachen gab es naturgemäß mit dem Datenschutz, dem Marketing und der PR. Innerhalb dieser Gespräche wurden auch die Zuständigkeiten klar definiert: So werden etwa Fragen rund um Stuttgart21 weiterhin nur von der offiziellen Öffentlichkeitsarbeit beantwortet.

7. Umfassende Info-Inrastruktur etablieren
Wenn die Vernetzung im Haus soweit vorangetrieben wurde, geht es um den Aufbau eines schnellen Zugangs zu allen Informationen. Dem DB-Team steht das komplette interne Informationsangebot der Bahn zur Verfügung. Als während der Testphase die Frage an das Team herangereicht wurde, ob denn ein 81 Zentimeter breiter Kinderwagen durch die Gänge eines bestimmten Wagontyps passt, konnte der betreffende Mitarbeiter in Windeseile die Baupläne des Zuges beschaffen und antworten: “Es könnte ein wenig knapp werden, der Gang ist 80 Zentimeter breit.” So etwas nicht nur hilfreich, sondern für die Kunden auch recht beeindruckend.

8. Testen, testen, testen
Vor dem Launch gab es ein geheimes Testprojekt. Die Deutsche Bahn hat rund 50 Social Medians aus ganz Deutschland eingeladen, um daran teilzunehmen. Alle Accounts waren auf “private” gestellt und untereinander per Follow verbunden, so dass unter Ausschluss der Öffentlichkeit in aller Ruhe der Live-Betrieb getestet werden konnte. Diese Vorgehensweise hat sich ausgezahlt. Am Abend kam das komplette Team zusammen, um über jede einzelne Anfrage und Antwort zu diskutieren. Was lief gut? Was hätte man anders machen können? An insgesamt zwei Tagen fanden solche Testaktionen statt.

9. Der Launch
Der Bahn war daran gelegen, den Startschuss nicht übermäßig zu feiern: die PR-Arbeit im Vorfeld war unaufgeregt bis entspannt. Dies nimmt den Druck aus der Formulierung des ersten Tweets heraus und es kommt zu keiner plötzlichen Überbelastung der Kapazitäten.

10. Halten, was man versprochen hat
Hier beginnt der wohl eigentlich schwerste Teil: Alles Trainieren, die Gespräche und Schulungen können niemals einen Tag Praxis auf Twitter abbilden – doch es gibt Orientierung. Nun wird sich zeigen, wie gut das Team schwimmen und improvisieren kann.

Mehr Details über die Hintergründe der Aktion und ihrer psychologischen Aspekte (ja, so etwas gibt es), sind hier zu finden. Und jetzt hätte ich gerne gewusst: Wir war Ihr Einstieg auf Twitter? Ist alles glatt verlaufen, gab es ausreichend Support im eigenen Haus? Welche positiven Erfahrungen haben Sie gemacht?

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